aggressiv. Aber da war er bei Oswald an der falschen Adresse. Es kam zu einem Gerangel.
Am Ende starb (nicht wie sonst eine Frau) Herbert, der von der Römerbrücke fiel, weil Oswald ihn über das Geländer stieß, daran konnte er sich später genau erinnern. Nicht ohne Stolz sah Oswald ihm nach, wie seine weißen Hände wild gestikulierend in den schwarzen Fluten der Mosel verschwanden. Kleine Strudel waren das Einzige, was von Herbert übrig blieb.
Oswald weinte ihm keine Träne nach, sondern kletterte auf das Brückengeländer und schmetterte über die Dächer seiner schlafenden Heimatstadt hinweg das Mosellied. Auch daran konnte er sich genau erinnern, auch das nicht ohne Stolz. Er hat eine schöne, tiefe, erotische Stimme.
Sie werden das Lied kennen:
Im weiten Deutschen Lande zieht mancher Strom dahin
,
von allen, die ich kannte, liegt einer mir im Sinn
,
o Moselstrand, o selig Land
.
Und so weiter und so weiter. Später kommt noch die schöne Stelle:
Wer fröhlich führt zum Munde das Glas mit kühlem Wein
,
Dem duften auf dem Grunde viel tausend Blümelein
...
Mit Blümelein können ja wohl nur die Flavanoide gemeint sein, deren Existenz im 19. Jahrhundert wohl schon bekannt war. Und zu dieser Zeit auch Berücksichtigung fanden.
Aus dem Netz gefischt
Zuerst hat sie sich über das langsam dahinzockelnde Auto vor ihr aufgeregt. Rechts neben dem Aachener Kennzeichen klebt das Mac-Symbol, der angebissene Apfel. Bei ihr klebt es links. Als sie ihn überholt, kann sie die Buchstaben auf dem Blatt Papier an der Heckscheibe und der linken hinteren Seitenscheibe lesen:
[email protected].
Sie öffnet den Mund zu einem stummen Schrei, ihre Finger krallen sich um das Lenkrad, ihr Herz schlägt schneller.
Das ist er!
Als
thrinchen
ist Christine im Netz unterwegs. Vor ein paar Wochen hat sie sich bei
Onlymac
registriert und eine Menge Anfängerfragen zu ihrem Mac ins Forum gestellt.
weissalles
war einer von über hundert Usern, aber der Erste, der ihr antwortete. Nach zweieinhalb Sekunden. Er machte seinem
nickname
alle Ehre, holte weit aus und warf mit Fachbegriffen nur so um sich, antwortete auf Fragen, die sie nicht gestellt hatte. Aber das tun die Freaks in diesen Foren alle. Bei
weissalles
war es der abfällige, mitleidige Ton, der ganz spezielle Erinnerungen in Christine weckte. Zwischen seinen Zeilen hörte sie das verächtliche Schnaufen, das sie schon zu oft gehört hatte.
Sie tritt das Gaspedal durch. Kaum hat sie sich vor ihn gesetzt, betätigt er die Lichthupe, schert aus, fährt auf gleiche Höhe mit ihr, winkt und feixt. Sie kommen sich gefährlich nahe. Kaum hat er sich vor sie gesetzt, gibt sie Gas, überholt ihn, lächelt ihm aufmunternd zu. Mal ist sie vorne, mal er. Ihr kleines Wettrennen ist wie eine Aufforderung zum Tanz. Es endet damit, dass er sie vorlässt.
Nur diesen einen noch, dann höre ich auf. Versprochen!
Er betätigt kurz die Lichthupe. Als das Hinweisschild für die Autobahnraststätte Ville kommt, setzt sie den Blinker und sieht im Rückspiegel, dass er ohne zu zögern folgt. Sie parken nebeneinander. Sie wartet, bis er ausgestiegen und an ihre Fahrertür getreten ist, dann kurbelt sie die Scheibe herunter und lässt ihn einen Blick auf ihre nackten Knie werfen. Sie sieht lächelnd zu ihm auf.
Er beugt sich zu ihr herunter, seine Haare fallen ihm in die Stirn. »Hi!«, sagt er. »Das hätte auch ins Auge gehen können.«
Das wird es noch, denkt sie.
Er schiebt seine Hand mit dem Schlüsselbund in die Hosentasche seiner ausgebeulten Jeans. Er ist mager und sieht übernächtigt aus. Er scharrt mit seinem rechten Turnschuh auf dem Pflaster des Parkplatzes und blickt zum Autobahn-Restaurant.
»Trinken wir was?«, schlägt sie vor.
Er nickt kurz.
Sie steigt aus, zieht ihren Rock herunter und schließt das Auto ab. Sie lässt ihn vorgehen und betrachtet ihn. Seine Haare haben lange keinen Friseur gesehen und sein weites T-Shirt weder Waschmaschine noch Bügeleisen. Er geht ohne die Füße zu heben, seine Schnürsenkel baumeln lose umher.
Er hält ihr nicht die Türe zum Restaurant auf, zieht ohne nachzufragen zwei Cola am Automaten, steuert einen Tisch am Fenster an und lässt sich auf einen Stuhl fallen.
Sie setzt sich ihm gegenüber. Er schiebt den Becher auf sie zu. Sie lässt ihn unberührt, sie mag keine Cola. Sie trinkt am liebsten Kaffee. Schwarz und stark. Und sie würde jetzt gern eine rauchen, aber sie sitzen im Nichtraucherbereich.
Was