Die Eifelgraefin
hatte sie selbst sich verändert. Sie liebte einen Mann, der in Kürze eine andere Frau ehelichen würde. Obwohl sie inzwischen sicher war, dass auch sie ihm nicht gleichgültig sein konnte, würde es keine gemeinsame Zukunftfür sie geben. Er wies ihre Gefühle ab und stieß sie damit immer wieder vor den Kopf. Sie kannte den Grund dafür nicht, doch sie war sich mittlerweile darüber klar geworden, dass – ganz gleich, was er auch tat oder sagte – ihre Gefühle für ihn sich nicht ändern würden. Wie konnte sie da ihrem Vater so bedingungslos wie früher gehorchen, wenn dieser ihr einen neuen Gemahl aussuchte?
Es war dumm von ihr gewesen, diese Gefühle überhaupt erst zuzulassen, da hatte Bruder Georg vollkommen recht. Ihre Zukunft hing von anderen Faktoren als Liebe ab. Doch nun konnte sie sie nicht einfach so abschütteln, ganz egal wie oft sie sich sagte, dass Johann, sobald er diese Maria Grosse geheiratet hatte, endgültig für sie verloren war.
Warum nur hatte sie zugelassen, dass er sie küsste und auf diese besondere Weise berührte, die ihr selbst in der Erinnerung noch die Röte in die Wangen trieb und eine Gänsehaut bereitete? Und warum hatte er das überhaupt getan? Aus einer Laune heraus? Weil er sich von ihr angezogen fühlte? Zunächst hatte sie geglaubt, er sei zu derlei Gefühlsregungen gar nicht fähig. Inzwischen vermutete sie, dass er nur sehr gut darin war, sie zu verbergen, und sie fragte sich, welche Geheimnisse wohl an den Tag kämen, würde sie es schaffen, zu ihm durchzudringen. Doch es war müßig, darüber nachzudenken. Wenn er heute oder morgen zu den Festlichkeiten auf der Burg erschien, würde sie lediglich von seiner offiziellen Verlobung erfahren.
«Elisabeth?» Sie spürte Bruder Georgs Hand an ihrer Schulter und sah ihn verwirrt an. Er lächelte. «Verzeiht, wenn ich Euch in Eurer tiefen Andacht störe, aber der Gottesdienst ist vorbei. Wir gehen zurück zur Burg.»
29. KAPITEL
Die Taufe der kleinen Agnes sowie das anschließende Osterbankett verliefen sehr friedlich. Es waren weniger Gäste eingeladen worden als im Herbst, dennoch zählte die festliche Tafel rund fünfzig Personen.
Elisabeth hielt sich so weit wie möglich von Johann fern, denn sie wollte vermeiden, erneut in eine verfängliche Situation mit ihm zu geraten. Auch er tat sein Bestes, ihr aus dem Weg zu gehen, und Hedwigs Sitzordnung, wonach er mit seinem Vater zusammen auf der anderen Seite der Tafel sitzen sollte, tat ein Übriges.
Zu Elisabeths Linken saß der Ritter Einhard von Maifeld, mit dem sie sich im Herbst recht angenehm unterhalten hatte. Hedwig hatte sie gebeten, sich ein wenig seiner anzunehmen, da ihm kurz vor Weihnachten die Frau bei der Geburt ihres dritten Kindes verstorben war. Tatsächlich wirkte er ruhiger und gesetzter, als sie ihn in Erinnerung hatte, und strahlte eine nur mühsam unterdrückte Schwermut aus. Elisabeth empfand Mitleid mit ihm und beschloss, ihn mit heiteren Gesprächen ein wenig von seinem Verlust abzulenken.
Die Dame zu ihrer Rechten war nicht nur bildhübsch mit ihrem in einem silbernen Netz hochgebundenen kastanienbraunen Haar und den Grübchen neben den Mundwinkeln, die bei jedem Lächeln erschienen, sondern auch hochschwanger.Sie stellte sich Elisabeth als Jutta von Manten vor und versetzte sie damit im ersten Moment in äußerstes Erstaunen. Sie wusste nicht recht, wie sie sich Johanns Stiefmutter vorgestellt hatte – ganz sicher jedoch nicht so jung und voller Heiterkeit. Jedenfalls nicht, nachdem sie so viel Übles über den Grafen Notker erfahren hatte.
«Gewiss wundert Ihr Euch, warum ich in meinem gesegneten Zustand den Weg hierher auf mich genommen habe», plauderte die Gräfin fröhlich auf sie ein. «Die freundliche Einladung von Frau Hedwig und Herrn Simon konnte ich unmöglich ausschlagen. Außerdem bin ich so lange schon nicht mehr aus der Mantenburg herausgekommen, dass ich Herrn Notker geradezu angefleht habe, mich mitzunehmen.» Sie lächelte amüsiert. «Außerdem bietet sich kaum eine bessere Gelegenheit als ein Bankett mit anschließendem Tanz, um den neuesten Tratsch zu erfahren, nicht wahr?» Sie trank einen Schluck Wein, den sie mit Wasser verdünnt hatte. «Wie ich hörte, weilt Ihr schon recht lange hier in Kempenich?»
«Seit vergangenem September», bestätigte Elisabeth.
«Ah ja, Johann sprach davon.» Jutta beugte sich ein wenig zu ihr herüber. «Er sagte auch, dass der Mann, den Ihr hättet heiraten sollen, in der Fremde
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