Die Eifelgraefin
KAPITEL
Die erste Nacht im Gesindehaus war für Elisabeth die schlimmste, die sie je erlebt hatte. Das Stöhnen und die Schreie der Kranken raubten ihr den Schlaf, obwohl sie vor Müdigkeit kaum die Augen aufhalten konnte. Und wenn sie doch einmal kurz eindöste, wurde sie von Schreckensvisionen heimgesucht. Kurz nach Mitternacht kam Bruder Georg herein, um einem der Wachmänner die Letzte Ölung zu geben.
Elisabeth nahm dies nur am Rande wahr, doch als nur wenig später zwei kräftige Knechte kamen, um den Mann hinauszutragen, fuhr sie aus ihrem Halbschlaf auf und starrte ihnen voller Grauen nach. Erst jetzt begriff sie, dass der Mann tot war, und eine eisige Kälte kroch in ihr Herz und umklammerte es wie ein Schraubstock.
Hastig beugte sie sich über Johann und tastete nach seiner Hand, um sich zu überzeugen, dass er noch lebte. Gleichzeitig wurde sie sich bewusst, wie töricht ihr Verhalten war. Johann würde sterben, genau wie dieser andere Mann, den sie nicht gekannt hatte. Und wenn es schnell zu Ende ginge, würde er nicht so schrecklich leiden müssen.
Ein trockenes Schluchzen stieg in ihrer Kehle auf, ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Hilflos ließ sie sichgegen die Strohschütte sinken und vergrub ihr Gesicht in der muffigen Wolldecke.
***
Johann starrte schon seit einer geraumen Weile hinauf zu der kahlen Decke des Krankenraumes. Es war dunkel, lediglich irgendwo neben seinem Kopf brannte ein kleines Öllämpchen. Erst hatte er nicht gewusst, wo er sich befand, doch inzwischen war es ihm klar geworden. Sein Kopf dröhnte und fühlte sich gleichzeitig an, als steche jemand glühende Nadeln hinein. Seine Glieder schmerzten und waren so schwer, dass er es kaum fertigbrachte, eine Hand zu heben. Seine Haut glühte, doch gleichzeitig ließ ein leichter Lufthauch von der Tür her ihn erschauern und verursachte ihm eine Gänsehaut. Er erinnerte sich noch, dass er mit Bruder Georg gesprochen hatte, nicht jedoch, wer ihn hierhergebracht hatte. Ganz sicher war er sich jedoch, was das alles zu bedeuten hatte. Er würde sterben. Sein Herz schlug bei diesem Gedanken hart gegen seine Rippen, und sogleich wurde er sich der Ironie dieser Tatsache bewusst. Mit allem hätte er gerechnet, nicht jedoch damit, dass diese tückische Pestilenz auch ihn heimsuchen würde. Es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, denn die Schmerzen in seinem Kopf wurden immer unerträglicher. Er versuchte zu schlucken, stellte fest, dass seine Kehle ausgedörrt war, und musste husten.
Sogleich spürte er eine Hand in seinem Nacken, die seinen Kopf anhob, und einen Becher mit Wasser an seinen Lippen. Gierig trank er einige Schlucke, und das kühle Nassbelebte ihn etwas. Erst jetzt erkannte er, dass es Elisabeth war, die seinen Kopf stützte.
Erschrocken starrte er sie an. «Was tut Ihr hier?» Seine Stimme klang noch immer kratzig, und sie hielt ihm noch einmal den Becher an die Lippen.
Johann schüttelte den Kopf und versuchte sich aus eigener Kraft aufzurichten. «Habt Ihr den Verstand verloren? Verlasst sofort dieses Pesthaus!»
Elisabeth antwortete nicht. Stattdessen zog sie die Wolldecke wieder ein Stück herunter, tauchte den Lappen in den Wassereimer und tupfte damit über Johanns Brust.
Obwohl es ihn höchste Anstrengung kostete, hob er die rechte Hand und umfasste ihr Handgelenk. «Was tut Ihr da?»
Ruhig blickte sie auf ihn herab. «Ich wasche Euch. Ihr habt hohes Fieber.»
Er versuchte, ihre Hand fortzuschieben. «Hört auf damit. Verdammt, Ihr habt hier nichts zu suchen, Elisabeth! Verschwindet sofort von hier.»
«Nein.» Unbeirrt nahm sie den Lappen in die andere Hand und fuhr fort, seine Haut damit abzutupfen.
Erschöpft ließ er sich zurücksinken. «Ich will das nicht, habt Ihr verstanden? Geht jetzt. Sofort.»
Elisabeth spürte Tränen in ihren Augen brennen, dennoch blieb sie äußerlich ganz ruhig. «Nein, Johann, ich gehe nicht.» Sie entwand sich seinem Griff und tauchte das Tuch erneut ins Wasser.
«Ihr seid des Wahnsinns, Weib», flüsterte Johann undeutlich. «Ich sterbe!» Auf seinen Wangen erschienen rote Fieberflecken, und er glitt in einen leichten Dämmerzustand.Besorgt legte Elisabeth ihm ihre Hand auf die Stirn und spürte, wie sehr er glühte. Und sie konnte nichts tun, um diese Krankheit aufzuhalten.
***
Luzia lag auf ihrem provisorischen Schlaflager im Viehstall und lauschte den Geräuschen ringsum. Sie hörte das Schnarchen einiger Knechte, das Stampfen der Kühe und Ochsen
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