Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eifelgraefin

Die Eifelgraefin

Titel: Die Eifelgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
Vom Netzwerk:
schmerzten, denn er hatte viele Stunden in Gebet und innerer Einkehr in der Kapelle verbracht. Zu lange für einen Mann seines Alters. Doch viel schwerer lastete die Angst um Elisabeth auf ihm und die Sorge, wie sie den baldigen Tod ihres Ritters aufnehmen würde. Er hatte lange darüber nachgedacht. Inzwischen gestand er sich ein, dass es nicht Johanns schlechter Ruf allein war, der ihn so gegen den Ritter aufbrachte, sondern vor allem die Befürchtung, Elisabeth könne Schaden nehmen. Es tat nichts zur Sache, ob es Johann war, dem sie ihre Liebe schenkte, oder irgendein anderer Mann. Sie war die Tochter seines Herzens, er musste sie beschützen. Und nun war sie ihrem Herzen gefolgt und hatte sich damit in eine schlimme Lage gebracht. Nicht nur, dass in dem Gesindehaus die Pestilenz lauerte – Graf Simon war noch immer außer sich vor Zorn über das Betragen seines Gastes. Das Gesinde tuschelte über Elisabeth, und die Gerüchte über eine heimliche Liebesbeziehung zwischen Elisabeth und Johann breiteten sich noch schneller aus als diese Krankheit. Er musste dafür Sorge tragen, dass sie so schnell wie möglich zur Küneburg zurückgebrachtwurde, ganz gleich, wie unsicher die Situation dort sein mochte. Noch immer gab es keine Nachricht von Graf Friedebold   – Bruder Georg betete, er möge von der Krankheit verschont worden sein   –, doch glücklicherweise gab es auch keinen Hinweis darauf, dass Dietrich Anstalten machte, auf der Burg die Macht an sich zu reißen. Vielleicht hielt auch ihn die Pestilenz in Schach.
    Bruder Georg fühlte sich so erschöpft wie nie zuvor. Langsam schlurfte er hinaus in den Hof, um sich am Brunnen mit kaltem Wasser zu waschen. Dort traf er auf Elisabeth, die gerade einen Eimer in den tiefen Schacht hinabließ.
    «Guten Morgen, mein Kind», sagte er und musterte sie besorgt. «Ihr seht blass aus – habt Ihr nicht geschlafen?»
    «Wie sollte ich wohl?», gab sie mit dumpfer Miene zurück.
    Er trat neben sie und wollte ihr eine Hand auf den Arm legen, zog sie jedoch zurück, als er ihren abweisenden Blick auffing. «Es tut mir leid, Elisabeth. Ihr dürft nicht glauben, dass ich Eure Gefühle nicht verstehe. Doch Ihr müsst Vernunft annehmen. Ihr habt Euch in eine äußerst prekäre Lage gebracht.»
    «Das ist mir gleich, Bruder Georg.»
    Der Schmerz in ihrem Blick schnitt ihm ins Fleisch, und er seufzte tief. «Ihr müsst fort von hier, mein Kind. Sobald wie möglich.»
    Sie hatte den vollen Eimer wieder hochgezogen und wuchtete ihn auf den Brunnenrand. Wasser schwappte heraus und benetzte ihre Hände und ihr Kleid. «Ich gehe nicht, Bruder Georg. Ich kann ihn nicht allein lassen, begreift das doch!»
    «Ich begreife es sehr wohl. Ein Bote ist zur Küneburg unterwegs. Erst in zwei Tagen können wir von dort einen Wagen erwarten.» Eindringlich blickte er ihr in die Augen. «Diese Pestilenz rafft einen Menschen innerhalb weniger Tage dahin, Elisabeth.»
    «Ich bleibe bei ihm», sagte sie tonlos. «So lange, bis er   …» Sie schloss kurz die Augen, dann blickte sie leer nach vorne. «Ich habe zu tun, Bruder Georg.» Mit einem Ruck hob sie den schweren Eimer vom Brunnenrand und schleppte ihn Richtung Viehhof.
    ***
    Martin Wied saß allein in seiner Schreibstube und brütete über den Lagerlisten des vergangenen Monats. Es wurde immer schwieriger, an Waren aus dem Süden zu kommen, obgleich er gehört hatte, dass die Pest vielerorts bereits wieder abgeklungen und weiter nach Norden und Osten gezogen war. Doch viele seiner Kontaktmänner waren geflohen oder gestorben, und die Lieferungen kamen nur noch spärlich und unregelmäßig. Glücklicherweise hatte er vor wenigen Wochen eine ganze Ladung Safran, Zimt und Muskat aufkaufen können, doch den italienischen Wein hatte er bereits bis auf das letzte Fass verkauft, und auch der französische ging schnell zur Neige. So blieb ihm nichts anderes übrig, als auf den Rhein- und Moselwein zurückzugreifen, obwohl er sich damit bei seinen Konkurrenten nicht eben beliebt machte.
    Als er darüber nachdachte, kam ihm die Lieferung für Burg Kempenich in den Sinn, die schon seit Wochen in seinemLagerraum wartete: vier Fässer Wein und mehrere kleine Kästchen mit Küchengewürzen.
    Natürlich wusste er, dass in den Hügeln und Wäldern der Eifel bereits ebenfalls die Pest wütete und dass auch Kempenich davon betroffen war. Dorthin würde er vorerst nicht reisen, das wäre zu gefährlich. Nicht umsonst hatte er schon vor Wochen seine Familie und

Weitere Kostenlose Bücher