Die Eifelgraefin
flüsterte er und spürte die Wärme ihrer Hände, die die seinen fest umfasst hielten. Mit der wenigen Kraft, die ihm verblieben war, erwiderte er den Druck und suchte ihren Blick. Die Gefühle, die in ihm tobten, spiegelten sich in ihren braunen Augen wider. Er versuchte, ihren Blick festzuhalten, sich daran zu klammern.
Ich will nicht sterben
, dachte er.
Nicht so.
Die Wärme und der Druck ihrer Hände waren das Letzte, was er spürte, bevor ihn die weiche Dunkelheit einhüllte.
Elisabeth starrte auf Johann hinab. Sie spürte den leichten Druck seiner Finger, die sich um die ihren geschlossen hatten, bevor sie schlaff wurden. Entsetzen stieg in ihr auf.
«Johann!» Sie umfasste seine Schultern und schüttelte ihn leicht. «Wach auf, verdammt! Du darfst nicht gehen.» Als er sich nicht rührte, warf sie sich voller Verzweiflung über ihn und drückte ihn an sich. «Ich will nicht, dass du stirbst, hörst du!»
Sie drückte ihr Gesicht an seines, spürte das Kratzen seiner Bartstoppeln und hatte das Gefühl, jemand risse ihr das Herz heraus.
38. KAPITEL
Elisabeth wusste nicht genau, was sie zuerst spürte: den Atemhauch an ihrer Wange oder den leichten Druck, mit dem Johann ihre Hände fester umfasste. Verstört hob sie den Kopf und musterte sein Gesicht, das keinerlei Regung zeigte. Nun bemerkte sie, dass sich sein Brustkorb hob und senkte. Der Schmerz in ihrem Inneren wich einem heftigen Herzklopfen, denn wieder spürte sie den zaghaften Druck seiner Finger.
Als sie auf ihre Hände hinabblickte, tauchten wie aus dem Nichts die Bilder aus einem längst vergessenen Traum in ihr auf: Hände am Abgrund, eine Stimme, die in Todesangst nach ihr rief.
Tatsächlich bewegten sich Johanns Lippen, doch konnte sie nicht hören, was er sagte, sondern bestenfalls erahnen, dass er ihren Namen flüsterte. Heiße Tränen stiegen in ihre Augen und brannten darin wie Feuer. «Bitte, o bitte, Gott!» Sie hob seine Hände und presste sie an ihre Wange. «Bitte!» Mehr brachte sie nicht heraus.
Luzia, die gerade aus dem Nebenzimmer gekommen war, sah Elisabeth weinen und stürzte zu ihr. «Herrin? Um Gottes willen, ist er …?»
«Nein.» Elisabeth schluchzte leise. «Nein, er lebt noch. Ich dachte schon … aber er war nur bewusstlos.»
Luzia legte Johann eine Hand auf die Stirn. «Er glüht,Herrin. Solch hohes Fieber kann ein Mensch nicht lange aushalten.»
Elisabeth wischte sich mit dem Ärmel ihres Kleides über die Augen. «Ich weiß, Luzia. Aber was soll ich tun?» Sie griff wieder nach dem Tuch, das im Eimer schwamm, wrang es aus und tupfte damit über Johanns Stirn.
Luzia sah ihr eine Weile dabei zu, dann griff sie nach dem Eimer. «Ich hole Euch frisches Wasser. Dieses hier ist schon ganz schmutzig.» Sie wandte sich zum Gehen.
«Luzia?» Elisabeth hielt sie am Rock fest. «Würdest …» Sie wischte sich erneut über die Augen. «Würdest du das Kruzifix hierlassen?»
Luzia umfasste das Kreuz, das sie wieder unter ihrem Kleid verborgen trug. Dann nickte sie. «Natürlich, Herrin. Hier.» Sie zog sich die Kette über den Kopf und legte Elisabeth das Kreuz in die Hand.
«Danke, Luzia.» Elisabeth umfasste das Kruzifix mit der rechten Hand, während ihre Linke wieder nach Johanns Fingern griff.
Nachdem Luzia hinausgegangen war, drückte Elisabeth das Kreuz gegen ihre Stirn und schloss die Augen. Noch immer sah sie die Bilder des Traumes vor sich. Gleichzeitig spürte sie das eigenartig lebendig anmutende Pulsieren des Kreuzes und die sanfte Wärme, die es verströmte, und fühlte sich ein wenig getröstet.
***
«Herrin, wacht auf!» Luzia rüttelte Elisabeth heftig an der Schulter. «Ihr müsst kommen! Da sind Männer, die sagen, dass sie Euch nach Hause bringen sollen!»
Schwerfällig hob Elisabeth den Kopf und öffnete die Augen. Sie saß noch immer auf dem unbequemen Hocker, den Rücken gegen die kalte Wand gelehnt. Offenbar war sie eingenickt. Sofort sah sie nach Johann – er atmete ganz ruhig, und die roten Flecke auf seinen Wangen waren einer geisterhaften Blässe gewichen. Die Beule an seinem Hals begann, sich gelblich zu verfärben. «Was sagst du?» Erst jetzt wurde sie sich Luzias Worte bewusst. «Wer ist gekommen?»
«Drei Männer von der Küneburg. Sie haben Bruder Georg gesagt, sie wären gekommen, um Euch zu holen. Er hat mich zu Euch geschickt, weil er helfen muss, Eure Sachen einzupacken.»
«Moment.» Elisabeth hob irritiert die Hand. «Warum muss Bruder Georg meine Sachen
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