Die Eifelgraefin
Pest erkrankt und liegt auf den Tod!»
Martin starrte ihn entgeistert an. «Bist du sicher, Mann?», fragte er grob.
«Leider.» Rudger nickte unglücklich. «Herr Simon hat es mir selbst gesagt. Er lässt niemanden mehr auf die Burg, hat nur vom Torturm aus mit mir geredet.»
«Verfluchte Pest!» Mit einem Ruck erhob sich Martin, nestelte ein paar Münzen aus seiner Börse und knallte sie auf den Tisch. Ausgerechnet Johann. Er konnte es kaum glauben. Seine erste Reaktion war, sofort nach Kempenich zu reiten. Doch er verwarf sie wieder. Bis er die Burg erreicht hätte, wäre Johann vermutlich schon tot. Kälte ergriff bei diesem Gedanken sein Herz. Er verdankte Johann viel, ohne ihn wäre er nicht mehr am Leben.
Obwohl er sicher war, dass es keinen Sinn hatte, ging er auf direktem Wege nach Hause und ließ sein Pferd satteln. Er musste es zumindest versuchen. Auf keinen Fall konnte er seinen Freund in dessen Todesstunde alleine lassen.
***
Mit halbgeschlossenen Augen saß Elisabeth, den Rücken gegen die kalte Steinwand gelehnt, auf einem Hocker neben Johanns Strohschütte. Ihre Glieder fühlten sich taub an, und die eisige Kralle, die ihr Herz nach wie vor umklammert hielt, schien sich mit jedem Atemzug enger zusammenzuziehen.Es war nun schon zwei Tage her, dass man Johann ins Gesindehaus gebracht hatte, und noch immer quälte er sich. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann sie zum letzten Mal länger als ein paar Augenblicke geschlafen hatte. Die Angst, er könne ihr entgleiten, während sie nicht da war, hielt sie wach. Johanns Sinne waren nur noch selten klar genug, dass er sie oder sich selbst erkannte. Auf seinem gesamten Körper hatten sich die hässlichen schwarzen Pestbeulen ausgebreitet und saugten das Leben aus ihm heraus.
Das Gesindehaus hatte sich in den vergangenen Tagen auf grausame Weise geleert. Vier Männer und zwei Frauen waren ihren Qualen erlegen, und Vater Ambrosius hatte inzwischen Schwierigkeiten, genügend Gräber auf dem kleinen Friedhof in der Stadt ausheben zu lassen. Nun hieß es sogar, er wolle dazu übergehen, mehrere Tote zusammen in einem Grab zur letzten Ruhe zu betten. Auf der Burg war seither nur ein neuer Pestfall aufgetreten, im Dorf hingegen drei, und die Verzweiflung unter den Menschen wuchs.
Einen Lichtblick gab es in dieser Katastrophe: Gertrud, die nach dem Tod ihres Bruders ebenfalls erkrankt war, ging es auf wundersame Weise seit dem Vortag immer besser. Die Beulen an ihrem Körper verfärbten sich gelblich wie heilende Blutergüsse und wurden immer kleiner. Auch ihr Fieber war nicht mehr so hoch wie in den Tagen zuvor, und seit dem Morgen war sie sogar wieder ansprechbar. Luzia hatte daraufhin vorgeschlagen, sie in das Nebenzimmer zu verlegen, da die begründete Hoffnung bestand, dass Gertrud wieder genesen würde. Tatsächlich schienen sich auch unten im Ort zwei oder drei weitere Kranke zu erholen.Dass diese Pestilenz nicht ausnahmslos jeden mit in den Tod riss, erschien den Menschen wie ein Wunder. In der Kirche wurden mehrmals täglich Bitt- und Dankgottesdienste abgehalten.
Elisabeth war so erschöpft, dass sie gar nicht bemerkte, dass Johann sich bewegte. Erst sein gequältes Husten ließ sie aufschrecken. Rasch füllte sie einen Becher mit Wasser und bemühte sich, ihm die kühle Flüssigkeit einzuflößen. Seine Augenlider flatterten und öffneten sich.
«Elisabeth … noch da …» Seine Stimme war kaum mehr als ein Hauch, und sie beugte sich über sein Gesicht, um ihn verstehen zu können.
«Ja.» Sie strich ihm mit den Fingerspitzen über die glühenden Wangen. «Ich bin noch da.»
Ihre Worte drangen nur sehr langsam in sein Hirn. Sein Blick verschwamm, doch er versuchte mit letzter Kraft, bei Sinnen zu bleiben. Er wollte nach ihrer Hand greifen, aber dazu war er zu geschwächt. Die Schmerzen, die von allen seinen Körperteilen gleichzeitig ausstrahlten und ihn in diesem Augenblick geradezu zu verbrennen schienen, ließen ihn erzittern.
Als sie das Zucken seiner Finger sah, nahm sie seine Hand und hielt sie schweigend umfasst. Er blinzelte und holte bebend Luft. «Geht! Ich bitte Euch! … Zu gefährlich … sterbe bald …» Erschöpft schloss er die Augen, das Sprechen war anstrengend.
«Nein, ich werde nicht gehen, Johann!» Trotz ihrer Angst spürte Elisabeth plötzlich eine unbändige Wut in sich aufsteigen, die sie nur mit Mühe bezähmte.
Wieder holte er rasselnd Luft und öffnete erneut dieAugen. «Stur …»,
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