Die Eifelgraefin
Sie deutete auf die Einträge in der Spalte mit den Ausgaben. «Ihr habt gesagt, dass Eure Ausgaben unterschiedlich hoch seien und Ihr deshalb die Preise herauf- oder herabsetzen müsstet. Doch aus Euren Aufzeichnungen geht hervor, dass Eure Ausgaben immer fast gleich geblieben sind. Ich wollte mich eben nur noch einmal davon überzeugen.»
Fassungslos starrte Martin sie an, dann lachte er plötzlich auf. «Dann glaubt Ihr nun also, ich sei ein dreister Betrüger?»
Als sie nicht antwortete, lachte er erneut. «Ihr seid eine kluge Frau. Ich muss gestehen, dass ich nicht damit gerechnet habe, wie klug.» Er zog das Rechnungsbuch zu sich heran und blätterte einige Seiten weiter. «Aber ich gebe zu, wenn man es aus diesem Blickwinkel betrachtet, könnte man auf den Gedanken kommen, Euer Verdacht sei berechtigt. Doch da Ihr zwar ungewöhnlich gebildet, jedoch mit den Begebenheiten des Kaufmannsgewerbes nicht vertraut seid, fehlt Euch glücklicherweise die Kenntnis einiger Details. Glücklicherweise sage ich, weil sich dadurch die Angelegenheit aufklären und Euer scheußlicher Eindruck von mir zum Besseren wenden dürfte.» Er tippte auf die Seite, die er nun aufgeschlagen hatte. «Lasst es mich erklären, edle Jungfer. Ihr habt nämlich recht, die Ausgaben, die ich in die Spalte neben die Einnahmen eintrage, sind immer ziemlich gleich. Das hängt damit zusammen, dass es sich um Kosten handelt, die ich auf mehrere Kunden aufteile und deren Höhe ich langfristig aushandeln kann. Hier», wieder tippte er auf die aufgeschlagene Seite, «befinden sich nun die veränderlichen Kosten wie Zölle, Einkaufspreise unddergleichen. Wie Ihr seht, jeweils mit dem Namen des Kunden versehen sowie mit dem Datum der Lieferung.» Er blickte sie aufmerksam an. «Erst wenn ich diese mit den feststehenden Kosten zusammenrechne, erhalte ich den korrekten Betrag, aufgrund dessen ich meine Preise festlegen kann.»
Luzia spürte eine verlegene Röte in ihre Wangen steigen, war jedoch gleichzeitig so neugierig, dass sie ihren Abscheu vor Martin für einen Moment vergaß und näher zu ihm rückte, um sich über das Buch zu beugen. Was er erklärt hatte, klang plausibel – und die Einträge im Buch bestätigten seine Worte. Sie schämte sich.
Martin schlug das Buch schwungvoll zu und schob es zur Seite. «Ihr seht also, ich bin weit davon entfernt, meine Kunden übervorteilen zu wollen, Jungfer Luzia.»
«Es tut mir leid.»
Martin hob die Brauen. «Wirklich? Das sollte es aber nicht, denn Ihr habt ein wachsames Auge und einen hellen Verstand. Und ich vermute, Euch hat nicht nur diese Verbindung zu Graf Simons Familie, wie Ihr es nennt, zu Euren Zweifeln an mir bewogen, sondern auch Eure Freundschaft und Loyalität gegenüber Elisabeth, nicht wahr? Einem Betrüger hättet Ihr wohl schwerlich lautere Absichten zugetraut, wenn er vorgibt, einer Familie helfen zu wollen, mit der ihn nichts verbindet als eine vage Bekanntschaft.»
Die Röte auf Luzias Wangen verstärkte sich noch, denn natürlich hatte er vollkommen recht. Vorsichtig, um nicht unhöflich zu wirken, zog sie sich ein wenig vor ihm zurück, denn seine Nähe verursachte ihr nun doch einiges Unbehagen.«Und … weshalb tut Ihr es? Warum wollt Ihr Elisabeth helfen?»
Martin lächelte. «Ich helfe ihr, weil ich damit meinem Freund, Johann von Manten, einen Dienst erweisen kann. Ich verdanke ihm viel – mein Leben, um genau zu sein», setzte er nach einer kurzen Pause hinzu.
Luzias Neugier war nun vollends geweckt. «Wie das?»
Martin senkte seinen Blick auf seine Hände. «Es ist lange her», begann er. «Gut zehn Jahre. Damals waren meine Grundsätze zugegebenermaßen etwas weniger lauter als heute. Aber das ist eine andere Geschichte. Ich war jung und ein Heißsporn mit einer Menge Flausen im Kopf. Und ich war entstellt.» Nun hob er den Kopf und sah ihr bedeutungsvoll in die Augen. «Beides zusammen war keine gute Mischung, denn sie brachte mich bis an den Rand des Todes.» Er hielt kurz inne, bevor er fortfuhr: «Eines Todes, für den ich im ewigen Höllenfeuer geschmort hätte, edle Jungfer, denn ich hätte ihn selbst herbeigeführt.»
Luzia zuckte entsetzt zusammen und starrte ihn ungläubig an. «Ihr wolltet Euch selbst …?»
«Ihr könnt es Euch vielleicht nicht vorstellen, aber es kommt vor, dass die Verzweiflung eines Menschen seine Skrupel gegenüber Gott und den Menschen, die er liebt, überwiegt.» Wieder lächelte Martin. «Johann von Manten hat jenen
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