Die Eifelgraefin
ausgeräumt wurde, um ihn trockenzulegen.»
Van Thelen nickte. «In einem feuchten Keller hat sie also gelegen.» Nun blickte er doch zu der Urkunde hin, nahmsie zwischen die Finger und rieb leicht daran herum. Dann betrachtete er sinnierend seine Fingerspitzen. Sein gesamtes Verhalten ließ darauf schließen, dass er tatsächlich einige Übung im Untersuchen von Schriftstücken besaß. Dann sprach er weiter: «Der verstorbene Graf Friedebold der Ältere, der diese Urkunde angeblich hat aufsetzen lassen, muss sie demnach in jener Truhe im Kirchenarchiv untergebracht haben, und das müsste vor über fünfzig Jahren geschehen sein. Die Urkunde sieht zwar alt aus, jedoch findet sich nicht ein einziger Schimmel- oder Wasserfleck darauf, was jedoch zu erwarten gewesen wäre, wenn ein Pergament in feuchter Umgebung gelagert wird. Auch riecht es nicht muffig, wie unter solchen Bedingungen ebenfalls anzunehmen gewesen wäre.» Mit einem auffordernden Nicken übergab van Thelen dem Schöffenmeister die Urkunde, und dieser hob sie erstaunt an seine Nase.
Wieder erschien das schmale Lächeln auf van Thelens Lippen. «Was riecht Ihr stattdessen, Herr van Schuren?»
Der Schöffenmeister rümpfte ein wenig die Nase. «Es riecht irgendwie nach Rauch, möchte ich meinen.»
«Was soll das alles mit den Gerüchen», mischte Albrecht sich wütend ein. «Wollt Ihr behaupten, es sei unsere Schuld, wenn die Urkunde nicht parfümiert worden ist?»
Van Thelen nahm dem Schöffenmeister die Urkunde wieder ab. «Es ist durchaus von Bedeutung, wie ein Schriftstück riecht», erklärte er in hochfahrendem Ton. «Wenn nämlich zu befürchten steht, dass es über einem Feuer geräuchert wurde, um ihm den Anschein von Alter zu geben.»
Unter den Schöffen kam verwundertes Raunen auf, dreivon ihnen traten nun ebenfalls näher, um an der Urkunde zu riechen.
Dietrich lief indes zornrot an und schoss auf van Thelen zu. Grob fasste er ihn am Mantelkragen und schüttelte ihn. «Was redet Ihr da für einen Unsinn, Mann? Die Urkunde stammt aus einer Trierer Kanzlei; die Schrift und der Verfasservermerk beweisen es!»
Van Thelen zappelte hilflos, konnte sich gegen den kräftigen Dietrich jedoch nicht wehren. «Ganz ruhig, Herr Dietrich!» Martin und Johann waren mit wenigen Schritten an Dietrichs Seite und zogen ihn von van Thelen fort. «Es besteht kein Grund, grob zu werden.»
«Grob?» Unwirsch schüttelte Dietrich die beiden Männer ab. «Dieser Kerl behauptet …»
«Ich behaupte gar nichts, Herr Dietrich.» Der Magister richtete sein Wams und strich seinen blauen Mantel glatt, der durch den Angriff in Unordnung geraten war. «Ich stelle Tatsachen fest», fuhr er fort. «Und da es dergleichen noch weitere gibt, möchte ich die anwesenden Schöffen nun bitten, das Siegel auf der Urkunde genauer zu betrachten.»
Wieder traten die Schöffen näher, diesmal auch jene drei, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatten, und beäugten das Siegel des ehemaligen Grafen von Küneburg, das ordnungsgemäß am unteren Ende des Schriftstücks angebracht war. «Wenn Ihr genau hinseht», dozierte van Thelen, «so werdet Ihr feststellen, dass es sich um zwei verschiedene Sorten Siegelwachs handelt, die übereinanderkleben. Dazwischen, und das hätte dem Fälscher nun wirklich nicht passieren dürfen …» Die Stimme des Advokatennahm einen beinahe schon hochmütigen Klang an. «… klebt der Rest eines Haares. Rosshaar, nehme ich an, mit dem das alte Siegel von einem anderen Schriftstück abgelöst wurde, und das auch noch so ungeschickt, dass es vonnöten war, neues Wachs zu benutzen, um das Siegel auf die uns vorliegende Urkunde aufzukleben.»
Der Schöffenmeister drehte und wendete das Pergament dicht vor seinen Augen und brummte schließlich zustimmend, dann gab er es an die anderen Schöffen weiter, die nun zugeben mussten, dass der kleine Mann im blauen Mantel recht hatte.
Elisabeth spürte einen Anflug von Hoffnung in sich aufsteigen. Konnte dieser fremde Advokat tatsächlich beweisen, dass Dietrichs Urkunde eine Fälschung war? Doch auch in Trier gab es Amtmänner, die sich mit Urkunden auskannten. Warum hatten sie die Echtheit des Schriftstücks nicht bezweifelt?
Die nächsten Worte des Schöffenmeisters ließen denn auch den Hoffnungsschimmer sofort wieder verblassen. «Herr van Thelen, Eure Ausführungen sind sehr interessant, und ganz offensichtlich ist uns dieses Detail zunächst entgangen. Doch nach Prüfung des Inhalts der
Weitere Kostenlose Bücher