Die Eifelgraefin
Besorgt wickelte sich Elisabeth in ihre Decke, stand auf und tastete sich zur Bettstatt ihrer Magd hinüber. Als sie deren Schulter berührte, erschrak sie. Luzias Haut war schweißnass.
«Luzia, wach auf!», flüsterte sie eindringlich und rüttelte sie an der Schulter.
Luzia murmelte etwas Undeutliches, schlief jedoch weiter. Erst als Elisabeth sie noch fester schüttelte, schrak sie hoch.
«Was?» Schwer atmend blickte sie sich um.
Elisabeth, deren Augen sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte den verwirrten und entsetzten Ausdruck in Luzias Gesicht erkennen.
«Du hast schlecht geträumt», sagte sie beruhigend. «Ist alles in Ordnung?»
Luzia fuhr sich durch die Haare und schien erst jetzt zu bemerken, dass ihre Stirn feucht von Schweiß war.
«Geträumt?» Sie setzte sich halb auf. «Ja, ich glaube, ich habe etwas geträumt. Es war seltsam.»
«Kannst du dich daran erinnern?», fragte Elisabeth.
Luzia schwieg und überlegte, dann nickte sie, was in der Dunkelheit nur als eine vage Bewegung auszumachen war. «Ihr habt in einem Reisewagen gesessen.»
«Du hast von mir geträumt?» Verblüfft ließ sich Elisabeth neben ihrer Magd nieder.
Luzia nickte erneut. «Der Reisewagen stand unten im Hof. Ihr wolltet fort, nach Hause vielleicht?», fragte sie, hielt einen Moment inne und sprach dann weiter: «Da war plötzlich ein Brief in Euren Händen und dann etwas Dunkles … Schwarzes», verbesserte sie sich. «Ein schwarzerSchatten oder eine Wolke; ich weiß es nicht genau. Die Pferde wollten loslaufen, aber der Wagen hat sich nicht bewegt. Ihr konntet nicht fort. Die Sonne brannte, aber es war trotzdem dunkel. Dann habt Ihr geweint und … und ich auch.» Luzia schauderte und rieb sich über die Arme. «Plötzlich hat sich der Wagen doch bewegt, und der Fuhrknecht hat die Pferde angetrieben, aber …»
«Aber was?», hakte Elisabeth atemlos nach.
«Ihr seid aus dem Wagen herausgesprungen, mitten in das Dunkle … Schwarze hinein. Ich weiß nicht, was es war. Der Wagen fuhr ohne Euch los. Dann bin ich aufgewacht.»
«Ein schlimmer Traum», sagte Elisabeth und spürte nun ebenfalls eine Gänsehaut auf den Armen. «Und äußerst merkwürdig. Hast du öfter solche Träume?»
Luzia schüttelte den Kopf. «Nein, Herrin, eigentlich nie.» Nachdenklich setzte sie hinzu: «Meine Mutter sagte, als Kind habe ich oft schlecht oder ganz wild geträumt. Und meine Großmutter hat mich dann immer zu sich ins Bett geholt, wenn ich Angst hatte. Sie hat versucht, meine Träume zu deuten.» Luzia entspannte sich ein wenig. «Aber es ist nie etwas dabei herausgekommen.»
«Warum auch?» Elisabeth lächelte. «Viele Kinder träumen nachts schlecht. Mein kleiner Bruder hat, als er noch sehr klein war, manchmal die halbe Burg zusammengebrüllt, wenn er einen Traum hatte, der ihm Angst machte.»
Luzia stützte sich mit dem Ellbogen auf ihrer Matratze ab. «Aber das heute war nicht wie meine Träume als Kind. Es war viel … deutlicher. Und trotzdem verstehe ich es nicht.»
«Wahrscheinlich sollst du es auch gar nicht verstehen»,tröstete Elisabeth sie und ging in ihr Bett zurück. «Was wir des Nachts träumen, hat nur selten einen Sinn.»
«Wahrscheinlich habt Ihr recht, Herrin.» Luzia gähnte und kuschelte sich wieder unter ihre Decke.
Elisabeth schloss die Augen und war fast schon wieder eingeschlafen, als Luzia sie noch einmal ansprach.
«Herrin? Mir fällt da gerade etwas ein. Es ist bestimmt Blödsinn, aber meine Großmutter hat mir mal erzählt, dass, wenn man von Wasser träumt oder im Traum Tränen vergießt, bald jemand stirbt.»
Elisabeth öffnete die Augen wieder. «Luzia, das sind Ammenmärchen. Über so etwas solltest du dir keine Gedanken machen. Und nun gute Nacht.»
«Gute Nacht, Herrin.» Luzia stopfte sich ihr dünnes Kissen unter den Kopf und stieß dabei mit den Fingern gegen das Kruzifix. Sie schob es achtlos an den Rand ihrer Matratze.
***
Den Vormittag des Festtages verbrachte Elisabeth damit, mit Hedwigs Edeljungfern noch einmal alle Tanzschritte und Lieder durchzugehen. Hedwig selbst war zu beschäftigt, um sich darum zu kümmern, da die ersten Gäste bereits zur Mittagszeit erwartet wurden. So überließ sie diese Aufgabe mit Freuden ihrem Gast. Auch die beiden Knappen Friedel und Emmerich und sogar der kleine Craft, der erst acht Jahre alt und Gertruds Bruder war, nahmen an dieser Tanzstunde teil.
Elisabeth bereitete es große Freude, den Jungen
Weitere Kostenlose Bücher