Die Eifelgraefin
hatte auch nicht die Absicht, Eure Unterrichtsstunde zu belauschen.»
«Dennoch tatet Ihr es.»
«Und Ihr wünscht dafür eine Entschuldigung?» Johannmusterte sie spöttisch. «Also verzeiht mein ungebührliches Eindringen. Es entsprang einer Anwandlung von Neugier, denn ich vernahm vorhin Musik aus diesem Zimmer.» Er hatte seine Worte absichtlich Elisabeths geschraubter Sprechweise angepasst und verschränkte nun die Arme vor der Brust.
Sie trat noch einen Schritt auf ihn zu und funkelte ihn gereizt an. «Ich nehme Eure Entschuldigung an. Und nun möchte ich Euch bitten, uns nicht weiter zu stören.» Da sie erwartete, dass er sich auf diese Aufforderung hin sofort zurückziehen würde, wandte sie sich ab und ging zum Tisch zurück. Mit den Fingerknöcheln klopfte sie auf die Tischplatte und rief ihre Schützlinge erneut zur Ordnung. Sie setzte sich wieder auf ihren Platz und blickte zur Tür. Weil er noch immer dort stand, zog sie verärgert die Augenbrauen zusammen.
Auf diesen Blick hin zog Johann es vor, nun tatsächlich den Raum zu verlassen. Vor einem derart hochnäsigen Weib ergriff man tunlichst die Flucht, dachte er angewidert.
9. KAPITEL
Im Laufe des Nachmittags trafen immer mehr Gäste ein. Aus dem kleinen Fest, das Hedwig geplant hatte, war nun doch ein großes geworden. Im unteren Saal hatte man den Kamin ordentlich eingeheizt und eine hufeisenförmige Tafel für achtzig Personen aufstellen lassen. Da Hedwig und Simon keinen ihrer näheren oder entfernteren Nachbarn vor den Kopf hatte stoßen wollen, waren alle Adelsfamilien der Umgebung eingeladen. Im Palas sowie in den zwei geschlossenen Rundtürmen hatten sie alle verfügbaren Betten und Strohmatratzen für die Gäste herrichten lassen. Herzelinde und Gertrud hatten ihre Schlafkammer für ein oder zwei Nächte räumen müssen und schliefen nun bei Elisabeth. In der Stadt waren Herbergen und Tavernen voll belegt.
Thea war mit ihren Küchenjungen und -mägden schon seit dem Vortag dabei, das Essen für das Bankett zuzubereiten und Schüssel für Schüssel und Platte für Platte mit den vorzüglichsten Speisen zu füllen.
Luzia half dabei, die frischgebackenen Brote aus dem Backhaus hereinzuholen und in dicke Scheiben zu schneiden, bevor sie schließlich zu ihrer Herrin nach oben eilte, um ihr beim Umkleiden zu helfen.
***
Das Bankett, das die Abendgesellschaft eröffnen sollte, war für den späten Nachmittag anberaumt. Elisabeth stand vor ihrer Kleidertruhe und überlegte fieberhaft, was sie anziehen sollte. Das hellgrüne Kleid mit dem dunkelgrünen Surcot? Oder doch lieber das dunkelblaue Kleid mit der Goldstickerei und dem hübschen herzförmigen Ausschnitt? Oder war es zu offenherzig? Vielleicht mit dem dunkelblauen Seidentuch über den Schultern? Aber das würde sie beim Tanzen stören. Es sei denn …
«Es sei denn, ich stecke es vorne mit einer hübschen Brosche fest», murmelte sie vor sich hin.
«Wie bitte? Habt Ihr etwas gesagt, Herrin?» Luzia trat in die Schlafkammer. Hinter ihr waren die Stimmen der beiden Edeljungfern zu hören, die ebenfalls auf dem Weg nach oben waren, um sich umzukleiden.
Elisabeth entschied sich für das dunkelblaue Kleid. «Komm her, Luzia, und bring mir das Kästchen mit meinem Schmuck mit», sagte sie über die Schulter und hielt das Kleid ins Licht. Sie hatte es bisher erst einmal getragen, zum Geburtstag ihres Vaters. Kunibert hatte ihr den Stoff schicken lassen, als Geschenk, das ihr seine Gunst beweisen sollte.
Sie ließ das Kleid sinken und blickte aus dem Fenster zum blauen Himmel hinauf. Am Horizont schienen sich leichte Schleierwolken zu bilden. Schon lange hatte sie nicht mehr an Kunibert gedacht. Nicht einmal, während sie die Wäsche für ihre Aussteuer bestickt hatte. Vielleicht lag es daran, dass seit ihrem letzten Treffen bereits fast vier Monate vergangen waren. Kunibert befand sich momentan auf einer Reise für den König nach Venedig, Florenz und Genua.Vielleicht sogar nach Rom. Sie versuchte, sich sein Gesicht vorzustellen. Schmal, mit hohen Wangenknochen, ein sauber gestutzter Kinnbart, braunes Haar und ebensolche Augen. Sein stets freundlicher Blick hatte sie von Beginn an für ihn eingenommen, ebenso sein höfliches und zuvorkommendes Benehmen. Sie mochte ihn, und ganz sicher würde sie eine gute Ehe mit ihm führen.
Eigentlich müsste er schon wieder auf der Rückreise sein, überlegte sie, denn die Hochzeit sollte noch vor Weihnachten stattfinden, und wenn er das
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