Die Eifelgraefin
aufwühlte.
«Luzia.» Er sprach den Namen aus wie den einer seltenen Blume und blickte verträumt in die Ferne. «Erlaube mir, dich wiederzusehen, Luzia. Morgen oder … wann es dir beliebt.» Als er ihren skeptischen Gesichtsausdruck sah, fügte er rasch hinzu: «Nur zu einem Spaziergang und selbstverständlich dort, wo jeder uns sehen kann. Ich möchte gerne … mehr über dich erfahren, hehre Frau.» Er hob die rechte Hand und strich mit den Fingerspitzen so sanft, dass sie es kaum spürte, über ihre Wange.
In Luzias Magengrube flatterte es, als säße dort ein winziges Vögelchen. «Ich weiß nicht …»
«Bitte weise mich nicht zurück!»
Sie knabberte an ihrer Unterlippe. Was sollte sie bloß von ihm halten? «Meine Herrin …»
«Hast du eine gestrenge Herrin, Luzia?» Rolands Augenfunkelten wieder fröhlich. «Wie wäre es morgen zur Mittagszeit? Hier vor dem Palas? Dann ist deine Herrin mit Essen beschäftigt.»
«Ich … nun ja …» Luzia zögerte noch immer, doch Roland zwinkerte ihr zu.
«Also ja, hehre Frau! Wie freue ich mich. Bis morgen Mittag dann!» Er verbeugte sich tief vor ihr und zog sich zurück.
Luzia sah ihm verwirrt zu, wie er beschwingt zum Wagen der Gaukler ging und begann, einige Kisten, die auf dem Boden standen und vermutlich Requisiten für Aufführungen enthielten, auf die Ladefläche zurückzustellen.
Rasch wandte sie sich ab und betrat den Palas.
11. KAPITEL
Elisabeth gähnte unterdrückt und wünschte sich, Simon hätte die Morgenandacht nicht auf eine so frühe Stunde gelegt. Die Sonne war gerade erst aufgegangen und warf nur ein diffuses Licht durch die Fenster der kleinen Kapelle. Doch da die meisten Gäste, die auf der Burg genächtigt hatten, bald aufbrechen wollten, war ihm wohl nichts anderes übrig geblieben.
Bruder Georg hatte sich angeboten, anstelle von Vater Ambrosius den Gottesdienst abzuhalten, und zumindest dies war eine Wohltat. Ihr Beichtvater kannte sich ganz genau mit der Liturgie aus und beleidigte gebildete Ohren nicht mit zahllosen Wiederholungen oder fehlerhaften Formeln.
Dennoch konnte Elisabeth ihre Augen kaum aufhalten. Erst weit nach Mitternacht hatte sie sich zu Bett begeben. Nachdem Johann plötzlich verschwunden war – der Himmel mochte wissen, warum er sich nicht wenigstens verabschiedet hatte –, war sie mit Hedwig von Familie zu Familie gegangen, und noch jetzt schwirrte ihr der Kopf von den vielen Namen und Gesichtern.
Sie schielte zur Wand hinüber, wo das Gesinde stand, und sah, dass Luzia sich übermüdet gegen einen Pfeiler lehnte und offenbar ihre Augen nur mit Macht offen halten konnte. Deshalb rief sie sie, sobald der Gottesdienst umwar, zu sich und befahl ihr, Gertrud und Herzelinde zu helfen, deren Betten und Kleider fortzuräumen und in die Schlafkammer der beiden Mädchen zurückzubringen.
Nachdem das erledigt war, schloss Elisabeth die Tür ihres Schlafraums und legte den Riegel vor.
Luzia sah sie verblüfft an. «Was habt Ihr denn vor, Herrin?»
Elisabeth lächelte. «Schlafen, Luzia, was sonst? Und auch du legst dich jetzt hin und ruhst dich noch ein wenig aus. Es reicht vollkommen, wenn ich zum Mittagessen wieder hinuntergehe.»
«Ihr wollt, dass ich am helllichten Tag schlafe?», wunderte Luzia sich, schielte jedoch bereits sehnsüchtig nach ihrer Matratze.
«Ich ordne es hiermit an», lachte Elisabeth, zog ihr Kleid aus und kroch unter ihre Decke. «Wem soll es nützen, wenn wir wie zwei Wiedergänger durch die Burg laufen? Es wird uns schon niemand vermissen.» Sie schloss demonstrativ die Augen.
Luzia stand noch einen Moment lang unentschlossen im Raum, dann schlüpfte sie aus ihrem Kleid und legte sich wieder zu Bett.
***
Als die Sonne über den Hügeln ihren milchig blassen Schein auszubreiten begann, hatte Johann bereits ein gutes Stück Weges hinter sich gebracht. Mit einem leisen Schnalzen zügelte er sein Reittier und blickte prüfend nach Westen. Dicke graue Wolken ballten sich dort zusammen undwürden noch vor Tagesmitte den Regen mit sich bringen, der ihm bereits seit gestern in der Nase kribbelte. Ein böiger Wind war aufgekommen, der kalte Luft mit sich führte. In weniger als einer Woche war Allerheiligen, und endlich schien sich auch das Wetter nach der Jahreszeit zu richten.
Johann klopfte seinem Falben den Hals, dann trieb er ihn wieder an. Wenn er zur Mittagszeit eine Pause einlegte, konnte er bis zum Abend die Mantenburg erreichen. Ein Stück vor ihm tauchte ein
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