Die Eifelgraefin
fremde Hände geraten. Das wäre doch widersinnig!»
«Du argumentierst wie ein Mann, Luzia», stellte Bruder Georg fest, der unvermittelt in der Tür erschienen war. «Darf ich eintreten?» Auf Elisabeths Nicken hin kam er näher und reichte ihr einen Becher mit dampfendem Würzwein. «Und ich muss sagen, ich sehe es ähnlich. Unser Erzbischof ist ein kluger Politiker und Taktierer. Er wird seinen treuen Untertanen immer beistehen.» Er lächelte begütigend. «Ich denke auch nicht, dass Euer Vater vor Weihnachtennoch nach Böhmen reisen wird. Er wird warten wollen, ob Herr Kunibert noch vor dem Winter eintrifft, und muss auch die Verwaltung der Ländereien während seiner Abwesenheit klären.»
«Mutter wird die Verwaltung übernehmen.» Elisabeth nippte an dem Wein und verzog das Gesicht, weil er so scharf schmeckte. «Das hat sie früher auch schon getan. Aber was sollte sie Dietrich entgegensetzen, falls er die Burg …»
«Mein Kind, ich halte es nicht für gut, dass Ihr Euch den Kopf darüber zerbrecht», unterbrach Georg sie. «Vielleicht war es unklug von Eurem Vater, Euch diese Nachrichten zu übermitteln, wenn sie Euch derart große Sorgen bereiten.»
Elisabeth setzte sich kerzengerade auf und funkelte ihn erbost an. «Wagt es nicht, mir jetzt wieder damit zu kommen, dass Frauen sich nicht mit Politik befassen sollten, Bruder Georg. Ihr wisst sehr genau, dass Vater immer ein offenes Ohr für das Wort meiner Mutter hat.»
Der Benediktiner hob abwehrend die Hände. «Nichts liegt mir ferner, als Euren Zorn auf mich zu ziehen, mein Kind. Aber es ist doch offensichtlich, dass Ihr sehr erregt …» Er brach ab, als er ihren zornigen Blick auffing. «Ihr solltet darauf vertrauen, dass sich alles zum Guten richten wird.» Er sah sich irritiert um. «Was ist das?»
«Was?» Überrascht hob Elisabeth den Kopf.
«Dieses Summen. Habt Ihr jetzt noch Fliegen hier oben?»
Elisabeth schüttelte verblüfft den Kopf. «Ganz sicher nicht, dazu ist es doch schon viel zu kalt. Luzia?»
Luzia schüttelte den Kopf. «Ich höre gar nichts.» Sie legteden Kopf auf die Seite und lauschte angestrengt. «Nein. Oder … doch. Da ist etwas.»
Nun lauschte auch Elisabeth, und Bruder Georg ging suchend durch den Raum. «Ich weiß nicht, woher das Geräusch kommt», sagte er und blieb ratlos stehen.
«Vielleicht ist es doch nur eine verirrte Fliege», meinte Elisabeth und ließ sich wieder in ihr Kissen sinken.
Plötzlich sprang Luzia auf und deutete entsetzt auf die Truhe neben dem Bett. «Herrin, da! Das Kruzifix!» Sie wurde blass und wich mehrere Schritte zurück.
Elisabeth und Bruder Georg blickten auf das offene Kästchen, in dem das Silberkreuz lag. Sie hielten erschrocken die Luft an.
Elisabeth fand als Erste ihre Stimme wieder. «Hat … Bruder Georg, hat das Kruzifix eben geleuchtet?» Sie streckte die Hand nach dem Kreuz aus, doch er trat rasch näher und hielt sie zurück. «Nicht!» Vorsichtig beugte er sich über das Kästchen, streckte die Hand aus und berührte das Kreuz mit der Fingerspitze. Dann schüttelte er den Kopf und nahm es hoch. «Ich weiß nicht, was wir gesehen haben, aber mit dem Kruzifix scheint alles in Ordnung zu sein.»
«Aber es hat geleuchtet. Ich habe es genau gesehen!», rief Luzia mit furchtsamer Stimme.
Bruder Georg betrachtete das Kreuz von allen Seiten, dann hielt er es sogar an sein Ohr. «Nein, Kind, wir müssen uns getäuscht haben. Vielleicht hat sich das Licht darin gespiegelt.»
Elisabeth und Luzia blickten zweifelnd zu den Fenstern, durch die wegen der gewachsten Tierhäute kaum Helligkeitdrang. Bruder Georg wies auf die brennenden Kerzen im Halter auf der Truhe. «Der Feuerschein vielleicht.» Er legte das Kruzifix in das Kästchen zurück. «Wahrscheinlich sind wir überreizt.» Seine Stimme klang, als sei er selbst von seinen Worten nicht ganz überzeugt. «Es ist bald Zeit für das Abendessen. Kommt Ihr hinunter, Elisabeth? Ihr wisst, dass Herr Simon heute Gäste hat.»
Elisabeth nickte. «Ich komme gleich.» Sie winkte Luzia zu sich. «Hilf mir, mein Kleid zu richten. Ich möchte nicht, dass es verknittert aussieht.»
***
Notker von Manten war das Ebenbild von Johann, nur älter. Die beiden Männer waren nahezu gleich groß und breitschultrig, und die Gesichtszüge ähnelten sich erstaunlich. Lediglich Graf Notkers Haar war im Nacken kurz geschnitten und nicht mehr dunkelblond, sondern mittlerweile gänzlich ergraut. Er hatte die fünfzig bereits um
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