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Die Eifelgraefin

Die Eifelgraefin

Titel: Die Eifelgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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einige Jahre überschritten, strahlte jedoch noch immer eine Stärke und Vitalität aus, die manch jüngerem Vertreter seines Standes fehlten. Sein Hemd war aus feinstem weißen Leinen gearbeitet, Wams, Beinlinge und Schecke aus dunklem flämischen Tuch und Wolle. Auch die hohen ledernen Reitstiefel waren sauber – offenbar hatte ein Knecht sie nach der Ankunft des Grafen reinigen müssen – und zeugten von Wohlstand und Geschmack.
    Elisabeth versuchte, ihren ersten Eindruck von Johanns Vater mit dem in Einklang zu bringen, was sie durch Bruder Georg über ihn wusste. Es wollte ihr nicht gelingen. DerGraf war äußerst höflich und zuvorkommend und verhielt sich ihr und auch allen anderen Anwesenden gegenüber tadellos. Elisabeth konnte keinerlei Anzeichen von Zügellosigkeit oder Verderbtheit erkennen.
    Auch Johann schien am heutigen Abend guter Stimmung zu sein. Er unterhielt sich mit Simon über den für das Frühjahr geplanten Bau einer neuen Zollschranke am Hellweg, lauschte aufmerksam den Vorschlägen seines Vaters dazu und lachte über dessen Scherze.
    «Ist er nicht noch immer ein schmucker Edelmann?» Hedwig beugte sich zu Elisabeth herüber und sprach in leisem, vertraulichem Ton. «Hier trifft die alte Aussage wirklich voll und ganz zu: wie der Vater, so der Sohn.» Sie lächelte. «Aber täuscht Euch nicht. Graf Notker ist, was Politik angeht, ein Fuchs. Simon sagt, man muss jedes Wörtchen, das er sagt, genau beachten, sonst gelangt man schnell ins Hintertreffen.»
    Notker von Manten wandte sich ihr zu und lächelte breit. «Ich freue mich über dieses Lob, meine liebe Frau Hedwig, denn als solches waren Eure Worte doch gemeint, hoffe ich?»
    Hedwigs Wangen überzog ein verlegenes Rot. «Und er hat Ohren wie ein Luchs», sagte sie zu Elisabeth. Dann erwiderte sie Notkers Lächeln. «Selbstverständlich war dies als Würdigung Eurer Fähigkeiten gemeint.»
    «Nun denn.» Er winkte Friedel herbei, der bereits mit einer Waschschüssel und einem Handtuch bereitstand, und wusch sich die vom Essen fettigen Hände. Dabei wanderte sein Blick weiter zu Elisabeth, die er wohlwollend musterte. «Wie ich bemerkte, habt Ihr unseren Ausführungenzu der neuen Zollschranke mit Interesse gelauscht, edle Jungfer. Ich finde es sehr erfreulich, wenn Frauen sich für derlei Dinge interessieren.» Er zwinkerte ihr vergnügt zu. «Denn es versetzt sie in die Lage, ihrem Eheherrn – oder in Eurem Falle künftigen Eheherrn – das nötige Verständnis und die gebotene moralische Unterstützung bei seinen Geschäften oder herrschaftlichen Angelegenheiten entgegenzubringen. Stimmst du mir da nicht zu, Johann?» Er richtete den Blick auf seinen Sohn, der daraufhin beipflichtend nickte.
    «Aber ja, Vater. Voll und ganz.»
    Elisabeth beobachtete, wie die beiden Männer einander sekundenlang in die Augen starrten, keiner von ihnen verzog jedoch eine Miene dabei. Dann wandte sich Johann dem Knappen zu, der mittlerweile neben ihm stand und ihm ebenfalls die Waschschüssel darbot.
    «Schön.» Notker wandte sich wieder der Runde am Tisch zu. «Ein Mann tut gut daran, sich eine Frau als Gemahlin zu erwählen, die gescheit ist – nun ja, vielleicht nicht gescheiter als er selbst.» Er lachte. «Und die ihm neben strammen Söhnen auch ihre volle Loyalität schenkt», fügte er hinzu.
    «Da hast du ganz sicher recht», sagte Simon und lächelte seinem Gast zu.
    «Natürlich habe ich das!» Notker lachte so dröhnend, dass Elisabeth zusammenzuckte. «Glaub mir, nach zwei verstorbenen und bei einer glücklicherweise noch lebenden Ehefrau verfüge ich über hinreichend Erfahrung auf diesem Gebiet.» Etwas ruhiger, aber in ebenso fröhlichem Tonfall setzte er hinzu: «Erwähnte ich bereits, dass meine Fraunoch einmal gesegneten Leibes ist? Ein Sohn wird es diesmal, davon bin ich überzeugt.»
    Johanns Kopf schoss in die Höhe. «Frau Jutta erwartet ein Kind?»
    Elisabeth sah ihn überrascht an. Er klang eher erschrocken als erfreut.
    Notker nickte mit stolzem Lächeln. «Sie verriet es mir erst von wenigen Tagen. Im Sommer soll es so weit sein.»
    Simon und Hedwig gratulierten dem Grafen herzlich und erkundigten sich nach dem Wohlergehen der werdenden Mutter, und Notker gab redselig Auskunft.
    Johann schwieg indes, seine Miene verriet nichts über seine Gedanken. Dennoch hatte Elisabeth den Eindruck, dass plötzlich eine merkwürdige Spannung zwischen Vater und Sohn herrschte. Dieses Gefühl verflog jedoch bald, als Notker begann,

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