Die Eifelgraefin
«Dies ist meine Herrin, die Jungfer Elisabeth, Tochter des Grafen Friedebold von Küneburg.»
«Freut mich sehr.» Traud knickste tief, und auch Hein verbeugte sich artig. «Wollt Ihr nicht hereinkommen und Rast machen? Es ist zwar nur ein bescheidenes Heim …»
«Sehr gerne», unterbrach Elisabeth sie mit einem freundlichen Lächeln. «Bruder Georg», wandte sie sich an ihren Beichtvater, der noch auf dem Rücken seines Maultieres saß. «Möchtet Ihr nicht auch mit hineingehen?»
«Gewiss doch, sehr gerne!» Erfreut und erstaunlich behände sprang er vom Rücken des Maultieres herunter und klopfte sich den Reisestaub vom Habit. «Wenn die gute Frau uns auch etwas zu trinken anbieten könnte.»
«Aber natürlich, sofort!» Eifrig lief Traud voraus ins Haus und überließ es ihrem Mann, die Gäste in die Stube zu führen. Wenig später tischte sie Schalen mit Trockenobst und Krüge mit frischgebrautem Bier auf.
«Und nun erzähl uns, wie es dir ergangen ist», forderte Hein seine Tochter wenig später auf, als auch die Großmutter und die beiden jüngeren Geschwister, der elfjährigeAnton und das fünfjährige Trinchen, am Tisch saßen.
Bereitwillig berichtete Luzia über ihre Ankunft auf Burg Kempenich, die schwierige erste Zeit und wie sie sich nach und nach eingelebt hatte. Von ihren täglichen Aufgaben erzählte sie und von den schönen neuen Kleidern, die Elisabeth ihr geschenkt hatte. Nur ihre enge Freundschaft mit dem Gaukler Roland ließ sie aus, weil sie ihre Eltern nicht in unnötige Sorge versetzen wollte. Und auch das Kruzifix und die Tatsache, dass sie inzwischen lesen und schreiben konnte, verschwieg sie.
Irgendwann während ihres Berichts war ihre kleine Schwester auf ihren Schoß geklettert und spielte nun mit der obersten Tassel ihres Mantels herum. «Bleibste jetz’ wieder hier, Luzia?», wollte sie wissen.
«Nein, Trinchen, das geht nicht», antwortete Luzia und strich ihrer Schwester über den rötlich blonden Haarschopf. «Ich arbeite doch noch immer für die edle Jungfer Elisabeth.» Sie wandte sich ihren Eltern zu. «Sie hat mich gebeten, sie zu begleiten, wenn sie wieder nach Hause zur Küneburg reist.»
«Liebe Zeit, was für ein großes Glück! Mein Kind, ich bin so stolz auf dich.» Traud wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. «Du wirst es noch zu etwas bringen, Luzia, ganz bestimmt!»
«Ach, Mutter.» Luzia ergriff Trauds Hände. «Ich habe euch so vermisst. Ich weiß noch gar nicht, ob ich das Angebot annehmen soll. Dann wäre ich so weit von Blasweiler fort.»
«Natürlich musst du es annehmen», brummte Hein gutmütig,aber bestimmt. «Eine so gute Stellung bekommt man nicht zweimal angeboten, Mädchen. Was zögerst du noch? Du kannst uns jederzeit besuchen. Wir werden dir immer einen Platz am Tisch und ein Bett bereithalten.»
«Ich danke dir, Vater.» Nun kämpfte auch Luzia mit den Tränen. Sie hatte ja gewusst, wie ihre Eltern auf Elisabeths Angebot reagieren würden. Und sie hatten ja auch recht damit. «Ich komme sehr gerne nach Hause, Vater.»
«Nun denn.» Er lächelte verschmitzt. «Dann wäre das wohl abgemacht. Wir werden ganz sicher nicht von hier fortgehen, also weißt du immer, wo du uns finden kannst.»
***
Die Rundreise über Elisabeths Güter nahm zwei Wochen in Anspruch. Sie reisten zunächst über Nürburg nach Daun, von dort nach Ulmen und dann über Andernach und Mayen wieder zurück nach Kempenich. Luzia war beeindruckt von den vielen Ländereien, die fast alle zu Elisabeths Mitgift gehörten und die diese pflichtbewusst genau kontrollierte. Die Verwalter der Güter oder Lehensmänner ihres Vaters, denen die Güter zur Pacht aufgetragen waren, mussten ihr auf Verlangen nachweisen, dass sie die letzten Abgaben korrekt abgeführt und ausstehende Rent- oder Pfandzahlungen ordnungsgemäß geleistet hatten.
Offenbar hatte Elisabeths Onkel noch nicht versucht, Einfluss auf die Lehensmänner seines Stiefbruders auszuüben, denn nirgendwo wurde sie auf Dietrich und dessen Pläne angesprochen. Stattdessen fiel ihr auf, dass ihr Begleiter Bertram Aurich, der eigentlich ein angenehmer, wennauch schüchterner junger Mann war, um ihre Aufmerksamkeit buhlte. Zunächst wunderte sie sich nur über seine etwas ungeschickten Annäherungsversuche, doch als dann noch ihr zweiter Begleiter, der Junker Hertwin Blanckart, immer aufdringlicher wurde, erkannte sie ihre unglückliche Position: Sie war nicht mehr verlobt und mit ihrer Mitgift ein lohnendes Ziel
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