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Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Titel: Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Pásztor
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er so still wie eine Statue. Erst als ich mir seinen Hals vornehmen will, gibt er ein Handzeichen. Ich lasse meinen Arm sinken.
    »Du musst irgendwas mit meinem Kopf machen«, sagt er, immer noch mit geschlossenen Augen. »So schön das alles auch ist, aber ich kann ihn nicht mehr halten.«
    Ich stelle mich hinter Simon und stütze seinen Hinterkopf mit meinem Bauch. Ich beuge mich über ihn und küsse ihn auf den Mund, bevor ich die Klinge an der Haut unter seinem Kinn ansetze.
    »Das hättest du nicht tun sollen. Das war unprofessionell.«
    »Was?«
    »Küssen. Man darf nicht küssen und rasieren.«
    »Still jetzt, ich bin fast fertig.«
    »Dein Bauch ist so unglaublich weich.«
    »Ja.«
    »Außerdem weiß ich genau, was direkt über mir wäre, wenn ich jetzt die Augen aufmachen würde.«
    »Dann mach sie besser nicht auf.«
    In diesem Moment schnappt Simon zu. Er bekommt meine linke Brust mit den Lippen zu fassen und hält sie fest und lässt sich nicht abschütteln, und ich rutsche mit der Klinge ab und verpasse ihm einen anständigen Schnitt neben dem Kehlkopf, der sofort heftig zu bluten beginnt. Ich schmeiße den Rasierer auf den Boden, damit ich nicht noch mehr Unheil anrichte, und Simon packt mich mit beiden Händen und zieht mich nach vorn und setzt mich rittlings auf seinen Schoß, und natürlich zapple ich und kreische, vor allem als ich das dünne rote Rinnsal sehe, das bereits sein Brustbein erreicht hat. Ich will ihm klarmachen, dass wir die Wunde desinfizieren müssen, aber Simon küsst jedes meiner Worte wieder in mich zurück. Seine Küsse haben am Ende kein Fragezeichen mehr, sondern Doppelpunkte und Ausrufezeichen, und ich habe gute Arbeit geleistet, denn nichts kratzt mehr, nichts scheuert. Zwischen unseren Bäuchen schmelzen die letzten Reste vom Rasierschaum dahin. Simon zerrt an seinem Handtuch und will es endlich loswerden. Als ich mich hochstemme, damit er es unter mir wegziehen kann, wackelt der Hocker bedenklich, aber wir haben in den vergangenen Tagen schon ganz andere Stellungen gemeistert. Wir lachen. Wir keuchen. Unsere Geräusche werden von den gefliesten Wänden zurückgeworfen. Das Licht ist viel zu grell. Der Wasserhahn tropft. Es ist, wie es ist.
    Simon hält meine Hüften und versucht mich zur richtigen Stelle in seinem Schoß zu dirigieren. Hinter seiner Schulter taucht plötzlich mein Gesicht im Spiegel auf. Ich sehe so verliebt aus, dass ich mich verlegen abwenden muss, und in diesem Moment wird mir klar, dass dies hier kein Badezimmerfick werden wird, den ich morgen früh auf der Autobahn fröhlich pfeifend in meinem Erinnerungsalbum ablegen kann. Was hier läuft, könnte sich als gefährlich oder großartig oder unfassbar dumm herausstellen, aber auf keinen Fall als belanglos. Und während mein Körper noch nach dem einfachsten Weg sucht, hat die Prinzessin in mir längst aufbegehrt und verlangt nach einem angemessenen Rahmen, um sich hinzugeben: Sie will kein Villeroy & Boch, sondern irgendwas mit Bollywood, eine goldene Kutsche oder eine Blumenwiese oder wenigstens ein Himmelbett.
    Ich halte inne und sage »Simon«, und Simon greift wie im Reflex an sein Kinn, aber ich schüttle den Kopf und zeige zur Tür. Er versteht sofort, was ich meine, und sagt erst »Gut« und dann »Achtung«, und bevor ich erraten habe, wovor ich mich in Acht nehmen soll, hat er mich schon hochgehoben. Er trägt mich über die Türschwelle durch den kleinen Flur in unser Zimmer zurück. Mein Kopf liegt an seiner Schulter. Ich atme seinen Geruch ein, der immer unterscheidbarer wird von allen Gerüchen, die ich sonst noch kenne, und mir kommt etwas in den Sinn, das ich noch nie zu sagen gewagt habe. Ich flüstere »Nimm mich«, und bevor ich mir selbst peinlich werden kann, sage ich es ein kleines bisschen lauter, und als Simon mir sein Gesicht zuwendet und mich fragend ansieht, sage ich es noch einmal, so laut ich kann, und die Antwort in Simons Gesicht erinnert mich an mein eigenes Spiegelbild.

3.
    Meine ersten Male gelingen selten. Wenn ihnen kein zweites Mal folgt, bleibt meistens nur die Erinnerung an wechselseitig entladene Geilheit übrig, an das entschlossene Durchspielen von Stellungen, die mit den jeweiligen Vorgängern gut geklappt haben, oder an schüchterne Bemühungen, möglichst viel möglichst richtig zu machen. Falls Gefühle im Spiel sind, ähneln erste Male überdrehten Kindern am Heiligabend, die erschöpft zwischen zerrissenem Einwickelpapier sitzen. Dann sind die ersten Male

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