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Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Titel: Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Pásztor
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der Schamhaare, wo die wilde Basisnote wohnt, hier ist ein guter Platz. Ich will eine Schneise anlegen und lecke einen Scheitel, aber dann bleiben ein paar von Simons Haaren zwischen meinen Zähnen hängen, und ich muss meine Erkundung vorübergehend unterbrechen. Ich setze mich auf und huste ein bisschen und lache, Simon hält mir mein Weinglas hin, und ich versichere ihm, dass meine Untersuchungen noch nicht abgeschlossen seien, aber so weit alles in Ordnung bei ihm wäre.
    »Heißt das, dass du morgen außer dem Termin mit deiner Therapeutin keine anderen Termine hast?« Simon ist offenbar einer, der niemals den Faden verliert, auch nicht mit einer Erektion.
    »’tschuldigung, aber ich brauch erst mal einen Schluck Wasser«, sage ich, jederzeit bereit, einen Faden zu kappen.
    Ich klettere über Simon hinweg, laufe zum Bad und ziehe die Tür hinter mir zu. Auf dem Boden liegen unsere zerknüllten Handtücher. Der Rasierer ist weit abseits unter dem Waschbecken gelandet. Es riecht nach Seife. Ich brauche nicht nur Wasser, ich muss auch dringend pinkeln.
    Der erste Strahl klingt, als würde ein Schuss ins Abflussrohr abgefeuert. Es ist eine von diesen elenden Toiletten, die nichts weiter als ein hochwertig gerahmtes Wasserloch sind. Ich halte erschrocken inne und rutsche ein Stück auf der Klobrille nach vorn. Jetzt ist es gut, aber nur zwei, drei Sekunden lang, dann trifft der Strahl wieder direkt auf die Wasseroberfläche, und das Plätschern wird tausendfach von den Wänden der Porzellanschüssel zurückgeworfen. Hektisch drücke ich auf die Toilettenspülung hinter mir. Das Rauschen übertönt meinen eigenen Lärm, aber der Spülkasten ist schneller entleert als ich, beim Wiederauffüllen gibt er nur noch dezentes Murmeln von sich, und ich muss die restliche Zeit ohne Klanguntermalung überstehen.
    Beim Händewaschen blickt mir ein Clownsgesicht mit wirr abstehendem Haar und verschmiertem Kajal aus dem Spiegel entgegen. Ich entferne die gröbsten Spuren mit einem Papiertuch, aber gegen den leicht irren Gesichtsausdruck kann ich nichts machen. Ich beuge mich ganz weit über das Waschbecken und sehe mir fest in die Augen. Es ist gut, flüstere ich mir zu. Es ist richtig, und es ist gut. Meine Augen wirken glücklich, aber noch nicht ganz überzeugt. Neben der Silberdose mit der Rasierseife liegt Simons Armbanduhr. Es ist kurz nach halb drei.
    Als ich aus dem Bad komme, ist unser Zimmer in dämmriges Licht getaucht, Simon hat die Vorhänge zugezogen und irgendetwas Selbstgebasteltes über seine Nachttischlampe gestülpt. Er liegt ausgestreckt auf dem Bett und verfolgt aufmerksam jeden meiner Schritte. »Ich glaube, du brauchst eine Otohime, kleine Japanerin«, sagt er und rückt für mich ein Stück zur Seite.
    »Ist das da eine Otohime?«, frage ich und zeige auf seinen Lampenschirm.
    »Nein, das war mal ein Bogen hauseigenes Briefpapier. Morgen besorge ich mir ein paar Kerzen.«
    Morgen besorge ich mir ein paar Kerzen . Ich hätte gern gehört: Morgen besorge ich uns ein paar Kerzen. Oder noch lieber: Morgen besorgen wir uns ein paar Kerzen. Ich bin verblüfft, wie sehr mir die Vorstellung von Simon allein bei Kerzenlicht missfällt. Nicht minder beunruhigend finde ich mein Begehren, ihn Sätze mit »uns« und »wir« sagen zu hören.
    Ich lege mich neben ihn. Unsere Köpfe berühren sich. Wir starren eine Weile auf die seltsamen Schatten und kleinen Lichtinseln an der Zimmerdecke.
    »Und was ist eine Otohime?«
    »Japanische Mädchen«, sagt Simon und wendet seinen Kopf zur Seite, damit er mich ansehen kann, »sind so tugendhaft, dass sie lieber jedes Mal 20 Liter Wasser die Toilette runterjagen, statt andere Menschen mit dem Geräusch zu behelligen, das sie beim Pinkeln verursachen. Daraufhin erfand man ein kleines Gerät, das neben dem WC hängt und auf Knopfdruck den Klang einer Klospülung vortäuscht. Auf diese Weise konnte man unheimlich viel Wasser sparen, und die Tugendhaftigkeit der japanischen Mädchen blieb gewahrt.«
    »Das ist sehr freundlich von dir, dass du Tugend und nicht Neurose sagst.«
    »Weil es eine Tugend ist. Jedenfalls heißt dieses kleine Gerät Otohime, und das bedeutet ›Geräuschprinzessin‹.«
    »Geräuschprinzessin«, wiederhole ich und bin beeindruckt von Simons Fähigkeit, Lärm hinter einer verschlossenen Tür zu interpretieren, aber am meisten wundere ich mich, dass ich mich nicht ertappt und bloßgestellt fühle. Wahrscheinlich liegt es am unerwarteten Rückhalt durch viele

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