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Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Titel: Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Pásztor
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Helfersyndrom zu packen, muss ich mich wohl etwas mehr anstrengen. Vorerst bleibt mir leider nichts zu verkünden als die banale Wahrheit.
    »Ich konnte die Auskunft nicht anrufen, weil ich seinen Nachnamen nicht weiß.«
    Ach, ich weiß genau, was dein Zögern bedeutet, Sigrid Pujari Kasper. Du fragst dich gerade, ob dein Bruder wohl irgend so ein Doofchen aufgerissen hat, das man ihm lieber vom Hals halten sollte. Allerdings passt Doofchen aufreißen so gar nicht zu deinem Bruder, und deshalb zögerst du. Aber dann fällt dir eine elegante Lösung ein, bei der sämtliche Gesichter samt ihrer Privatsphäre gewahrt werden können, und ich kann die Erleichterung in deiner Stimme deutlich hören, als du mir vorschlägst:
    »Gut, dann machen wir das doch so, dass ich Ihre Mail einfach an Simon weiterleite. Dann hat er auch gleich Ihre Nummer und kann Sie selbst anrufen.«
    Sie glaubt, damit wäre sie aus der Verantwortung raus, aber einen Versuch habe ich noch. »Bitte, genau das möchte ich nicht«, sage ich. »Wissen Sie, das Problem ist, dass ich Ihnen jetzt eigentlich eine elend lange Geschichte erzählen müsste, damit Sie sich eine eigene Meinung über die Sache bilden können.«
    »Oh nein, bloß nicht«, sagt sie. Wenigstens ist sie ehrlich.
    »Verstehe«, sage ich. Keine Geschichte, keine Solidarität, keine Nummer. So einfach ist das. An dieser Stelle könnten wir eigentlich das Gespräch beenden, wären da nicht noch ein paar Ungereimtheiten, die sie schnell noch aufklären möchte.
    »Aber wie haben Sie mich denn überhaupt ausfindig gemacht? Woher wissen Sie von mir?«
    Sie käme auch irgendwo in der langen Geschichte vor, sage ich, den Namen ›Pujari‹ hätte ich mir merken können, und mit diesem Wissen wäre es nur noch ein kleiner Spaziergang durchs Internet bis zu ihr gewesen. Das scheint ihr zu gefallen, jedenfalls erzählt sie mir voller Begeisterung, was für ein irrsinniges Glück ich hätte, sie überhaupt angetroffen zu haben, denn übermorgen flöge sie für zwei Monate nach Indien.
    Ja, wirklich, irrsinniges Glück. Sag mir doch einfach, was ich wissen will, bevor du abfliegst, das würde ich irrsinniges Glück nennen. Ich bin es so leid, mich von neurotischen Datenschützerinnen abweisen zu lassen. Und ich verstehe ja, warum sie mich abweisen. Ich verstehe überhaupt alles. Und natürlich verstehe ich auch, warum sie mir die nächste Frage unbedingt noch stellen will.
    »Darf ich denn erfahren, woher Sie Simon kennen?«
    »Ich habe ihn auf einem Schweigeseminar kennengelernt.« Weil das so absurd und nach Pantomime klingt, schiebe ich noch hinterher: »Auf einem Meditationswochenende.«
    »Was?«, sagt sie. Sie schreit es fast. Dann ist sie still. Dann sagt sie: »Wow.« Pause, und dann noch einmal: »Wow.«
    »Aber eigentlich tut das gar nichts zur Sache, weil –«, sage ich, aber sie ist noch nicht bereit, mit dem Staunen aufzuhören.
    »Simon war auf einem Meditationswochenende? Das haut mich um, wirklich.«
    »Wie gesagt«, beginne ich, aber sie unterbricht mich wieder und sagt: »Wissen Sie was?«
    »Nein«, sage ich. Ich bin so müde.
    »Von wo aus telefonieren Sie? Sind Sie irgendwo in der Nähe?«
    »Vierhundert Kilometer, grob gerechnet«, sage ich.
    »Schade«, sagt sie. »Ich hätte sonst gesagt, kommen Sie vorbei. Ich habe jetzt doch Lust, mir Ihre elend lange Geschichte anzuhören. Aber ich würde Sie gern dabei sehen.«
    Machen wir uns nichts vor, es war das Zauberwort Meditation, das mir ihre Tür geöffnet hat, und darauf hätte ich eigentlich schon viel eher von allein kommen können. Sie müsse höchstens noch ein paar Kleinigkeiten für die Reise besorgen, antwortet sie mir auf meine Frage nach ihren Plänen für morgen, ansonsten wäre sie bestens vorbereitet und hätte Zeit für mich. Als sie mir ihre Adresse nennt und ich ihr meine voraussichtliche Ankunftszeit, sind wir längst beim Du angekommen. Ich kann mir selbst aussuchen, wie ich sie nennen will, und ich entscheide mich für Pujari, obwohl es mich verlegen macht, den Namen auszusprechen. Dass ich bereit bin, mitten in der Woche kurz mal vierhundert Kilometer für ein persönliches Gespräch mit ihr zurückzulegen, nimmt sie zur Kenntnis, ohne es zu kommentieren. Plötzlich bin ich jemand, die nicht nur nach Informationen sucht, sondern auch welche zu geben hat. Vielleicht ist das der Grund, weshalb ein Hauch von Verschwörung in der Luft liegt, als wir uns verabschieden. Und vielleicht ist das der Grund, weshalb

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