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Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Titel: Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Pásztor
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Es relativiert so manches, vor allem die eigene Opfernummer.«
    »Super, das Killerargument.« Mich macht diese Art von Vergleichen krank. »Stell dich nicht so an, wenn du auf die Schnauze fällst, eine Amputation ist noch viel schlimmer. Und nie die armen Kinder in Afrika vergessen.«
    »Mila, es geht doch gar nicht um den Schmerz. Der ist subjektiv und gehört ganz dir. Wie du alles einordnest und welche Bedeutung du den Dingen gibst, darum geht es. Wir sind nicht im Kinderparadies groß geworden, aber unsere Eltern waren keine Monster. Wir hatten genug zu essen und ein Dach über dem Kopf. Es gab keine Gewalt. Und wir hatten sogar jemanden wie Elli.«
    »Gehörte das zu deiner Therapie, um vom Koks runterzukommen? Die Vergangenheit schönreden, damit die Probleme weggehen?«
    Ich möchte ihn an seinem blöden Ziegenbärtchen packen und schütteln, vor allem jetzt, wo ihm wieder eingefallen ist, dass man mich mit gespielter Coolness schon immer besser von der Platte fegen konnte.
    »Mila, das sind Fakten«, sagt Marek mit der geduldigen Miene eines Sonderschullehrers. »Dein ganzer Hass auf Klaus und Alicja ist eigentlich viel näher dran am Schönreden, nur eben umgekehrt. Du hast es dir schlimmgeredet. Meiner Meinung nach auch eine Form von Idealisierung. Das böse Rabenelternpaar, das seine armen Kinder im Stich ließ.«
    »Dann sag mir doch mal, wie’s wirklich war, Marek.« Meine Stimme hat einen weinerlichen und leicht aggressiven Unterton, der mir unangenehm ist. Dieser Blödmann da ist mein kleiner Bruder. Ich hätte ihn damals rigoros Nacht für Nacht aus meinem Bett schmeißen sollen, wenn er wieder heulend mit seinen Ostblock-Füßen unter meine Decke gekrochen kam, und ihm sagen, er möge seine wunderbare Kindheit woanders verbringen. Es ist meine Aufgabe, ihm die Welt zu erklären, und nicht umgekehrt. Jetzt sitzt er da und sieht mich an, als müsse er erst mal rausfinden, ob meine Frage auch ernst gemeint war. Und ja, ich will seine Antwort unbedingt hören. Mag seine Sichtweise auch verklärt sein, in seiner Welt geht es eindeutig friedlicher und sonniger zu als in meiner.
    »Ich weiß doch gar nicht, wie’s wirklich war«, sagt Marek. »Aber ich kann dir sagen, was ich darüber denke. Alicja war eine schwer traumatisierte Frau, die ihr Leben niemals allein auf die Reihe gekriegt hätte. Und Klaus war ein leidenschaftlicher Beschützer, der nichts im Leben mehr brauchte, als von ihr gebraucht zu werden, mal abgesehen von seinen Geschäftserfolgen, und die wiederum hingen von ihr ab. Insofern waren sie schon ein perfektes Paar. Und für alles, was nicht so gut funktionierte, hatten sie einen Deal miteinander, genau wie alle anderen Paare auch. Die Nummer mit dem Händchenhalten habe ich ihnen nicht mehr abgekauft, als ich größer wurde. Das war ihr Markenzeichen. Ich fand es aufgesetzt.«
    »Du sagst auch nie Mama oder Papa, wenn du von ihnen redest«, sage ich. »Wollte ich nur kurz mal anmerken.«
    »Sie waren ja auch katastrophal als Eltern. Sie hätten das spätestens nach deiner Geburt merken müssen. Aber sie haben’s da noch nicht gemerkt, zu meinem großen Glück. Sie wollten ihre komische Symbiose leben und nichts anderes. Blöd für uns, aber so war’s nun mal. Ich bin sicher, sie wussten das auch, aber mehr als uns finanziell abzusichern war einfach nicht drin.«
    »Du willst mir allen Ernstes sagen, sie hätten es nicht besser hinkriegen können?«
    »Klar hätten sie’s besser hinkriegen können. Haben sie aber nicht. Und ich habe absolut keine Lust, mein Leben lang wie ein Hund den Baum anzujaulen, auf dem sie sitzen.«
    Falls, in Großbuchstaben geschrieben, FALLS ich jemals wieder meine Acrylfarben rausholen sollte, könnte das ein schönes Motiv für ein Bild werden, allemal schöner als Das Schweigen der Tasmanischen Sandbänke.
    »Aber ich pinkle auch nicht gegen den Baum, so wie du«, sagt Marek und sieht mich an, und dann fangen wir an zu lachen, erst ich, dann er, und Marek steht auf und kommt um den Tisch herum und umarmt mich, und ich sage »Stell dir vor, meine Therapeutin will mich jetzt auch noch feuern, nach all den Jahren«, und wir müssen noch mehr lachen, so sehr, dass wir fast wieder zusammen auf dem Boden landen, aber diesmal nicht tot.
    Ich setze neues Kaffeewasser für uns auf. Marek nutzt die Gunst der Stunde, um mir die sechs Unterschriften für seine Vollmachten abzuringen, und ich zeige ihm meine Liste, und Marek wirft einen Blick darauf und sagt, er habe

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