Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)
meine Handschrift noch nie lesen können.
»Da steht Berater für Führungskräfte, selbstständig, Personalangelegenheiten«, sage ich. »Das sieht man doch.«
»Die nennen sich im Fachjargon meistens HR Business Partner. HR steht für Human Resources. Managementberatung. Ein Job, in dem man ganz schön verheizt werden kann. Und das nächste Wort?«
»So-lar-an-la-gen. Herrgott.«
»Okay, mit der Kombination kann man vielleicht was anfangen, aber nur mit sehr viel Glück. Dir ist schon klar, dass es auch erfolgreiche Businessleute gibt, die komplett ohne Website und Netzwerke auskommen, oder? Und was soll das da heißen?«
»So heißt seine ältere Schwester. Die hat mal einen spirituellen Namen von Bhagwan gekriegt. Aus Simons Beschreibung habe ich geschlossen, dass sie immer noch dabei ist. Ich weiß nur nicht, wie es richtig geschrieben wird. Erst Deva, und dann Pujari, Puyari, Pujary?«
»Bhagwan. Gibt’s den etwa immer noch? Ich weiß, dass ganz früher mal eine Frau für Alicja nähte, die immer in Orange rumlief und diese Holzperlenkette trug. Sie hatte Riesenbrüste, und dazwischen klemmte der Anhänger mit dem Bild von Bhagwan.«
»Sie war nett. Ich erinnere mich noch gut an sie.«
»Ich fand es schrecklich, dass sie den alten, bärtigen Mann immer zwischen ihre Brüste steckte. Seitdem habe ich eine Esoterikphobie.«
»Du hast eine Brüstephobie«, sage ich. »Und mir machen Begriffe wie ›Human Resources‹ Angst. Ich würde es lieber erst mal mit der Schwester versuchen.«
Wir nehmen Mareks Rechner und unseren Kaffee mit auf die weiße Ledercouch. Marek experimentiert mit unterschiedlichen Schreibweisen und verkündet nach einer Weile, es gebe praktisch zu jeder Variante Treffer, aber eigentlich sei das kein Wunder bei den vielen Hindus im Internet. Man müsse die Suche verfeinern. Marek hat gern Publikum um sich, aber er mag es nicht, wenn man ihm über die Schulter sieht. Ich nehme meine Tasse und lehne mich zurück.
»Deva Pujari ist ein Mann.«
»Kommt gar nicht in Frage.«
»Kann man dieses Deva vorne auch weglassen?«
»Weiß ich nicht. Versuch’s doch einfach. Marek, du hast vorhin gesagt, alle Paare hätten irgendeinen Deal miteinander. Was für einen hatten denn unsere Eltern? Ich meine, sich gegenseitig zu brauchen ist doch kein Deal.«
»Entweder such ich dir jetzt diese Schwester, oder ich beantworte deine Frage. Beides gleichzeitig kann ich nicht.«
»Schade«, sage ich. »Ich frag dich nachher noch mal.«
Marek antwortet nicht. Ich höre ihn tippen und irgendwas von siebzig Millionen Indern sagen, die online wären. Dann schiebt er plötzlich den Computer zu mir rüber.
»Da«, sagt Marek. »Könnte sie das sein?«
»Ich kenne sie doch gar nicht«, sage ich und rutsche nach vorn, um besser sehen zu können. Zusammen starren wir auf den Monitor.
»Mila. Bitte sag mir, dass du nie im Leben mit dem Bruder von so einer Frau gevögelt haben kannst. Bitte.«
Über der Seite steht »Gemeinschaftspraxis für Heilung und Berührung«, darunter in Kreisform angeordnet die Porträts der Praxismitarbeiter mit ihren Spezialgebieten, die vorwiegend im Bereich der Körpertherapie liegen. Sigrid Pujari Kasper ist Heilpraktikerin. Sie trägt eine wilde Löwenmähne aus vielen weißen und wenigen dunklen Strähnen und blickt milde amüsiert in die Kamera. Sie wird Mitte, Ende fünfzig sein und hat dunkle Schatten unter ihren braunen Augen und neben den Mundwinkeln Kerben wie kleine Halbmonde. Wenn irgendjemand auf der Welt so aussehen könnte wie die Schwester, deren Bruder ich gevögelt habe, dann sie.
»Doch, Marek«, sage ich. Ich bin so aufgeregt, dass ich meine Kaffeetasse fast umwerfe. »Das muss sie sein. Du bist ein Genie. Und sie sieht überhaupt nicht schlimm aus, finde ich. Jedenfalls nicht wie eine Yogamutti.«
»Nicht schlimm? Ich finde sie zum Fürchten. Bestimmt pendelt sie alle ihre Diagnosen aus. Und dann gibt sie dir ein Kügelchen.«
Ich höre nur halb zu. Ich kann mich gerade noch beherrschen, nicht in Mareks Tastatur zu greifen und das Gesicht auf dem Foto zu vergrößern, um noch weitere Ähnlichkeiten mit Simon zu entdecken. »Hör auf zu zetern, alter Mann. Du warst mir gerade eine große Hilfe.«
»Und du glaubst wirklich, dass sie das ist?«
»Hundertprozentig. Schade, dass sie nicht denselben Nachnamen hat wie Simon.«
»Die Hexe hat den Kasper geheiratet«, sagt Marek. »Mila, ich hab Angst um dich.«
Sigrid Pujari Kasper ist telefonisch über die
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