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Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Titel: Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Pásztor
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ich mir so sicher bin, dass sie nicht umgehend Simon anrufen und ihn vor mir warnen wird.
    Ich schlafe schlecht in dieser Nacht. Immer wieder schrecke ich aus wirren Träumen hoch, die sofort verfliegen, wenn ich über sie nachzudenken beginne, nur eine Szene bleibt mir in Erinnerung, in der Gerald auf einem Baum sitzt und mir etwas zuruft, seinen Arm fürsorglich um einen riesigen Stoffhasen gelegt, aber ich verstehe nicht, was er sagt, obwohl ich ganz nahe an den Baum herangehe.
    Ab sechs Uhr kann nicht wieder einschlafen. Ich sehe dem neuen Tag zu, wie er allmählich durch die Ritzen der Jalousien dringt, und der neue Tag sieht mir zu, wie ich vergeblich versuche, mir einen Orgasmus abzutrotzen, und mittendrin entnervt aufgebe. Ich rufe mir Bilder von Simon ins Gedächtnis, Berührungen, Gerüche, ich sage seine Sätze auf wie Gedichte, du gehst mir so nah, hat er gesagt, nein, du gehst mir so irrsinnig nah, und du wirst immer bei mir sein, wenn es still wird, hat er gesagt, und es ist so verdammt still um mich herum, dass ich wahnsinnig werden könnte, aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich bei ihm bin oder er bei mir. Ich versuche es noch einmal, Simon mit Rasierschaum im Gesicht, Simon auf dem Teppich, Simon über mir, Simon in mir, aber alles, was ich sehen kann, ist Simon, der in einer fremden Küche steht und Schulbrote schmiert. Ich trete die Decke von mir und bleibe ausgestreckt auf dem runden Bett liegen, bis meine Haut so kalt wie das Zimmer ist, und dann gehe ich nach unten, um mir einen Kaffee zu machen.
    Ich habe nicht damit gerechnet, dass dort um diese Zeit schon so viel Betrieb ist. Helmut sitzt bereits praxisfertig angekleidet am Esstisch und liest in der Zeitung, während mein Bruder verschlafen in Unterwäsche herumstolpert, mit Tellern klappert und Milch verschüttet. Sie nicken mir zu. Sie sagen nichts. Ich setze mich zu ihnen und genieße die Wärme ihres Morgenrituals, bei dem ich als Fremdkörper nicht weiter auffalle. Marek hat immer noch die Angewohnheit, sein Gesicht so weit über die Müslischale zu senken, dass seine Stirn fast den Rand berührt. Und auch das Schnauben hat er beibehalten, mit dem er sein Frühstück beatmet, seine Fahrigkeit, die ihn ein Messer mit dem Ellenbogen vom Tisch herunterschieben lässt, sodass es klirrend zu Boden fällt. Helmut blickt über den Rand seiner Lesebrille auf Marek, ohne etwas zu sagen, und ich möchte so gern, dass das ihr einziger Deal ist, den sie haben, dieses geteilte Schweigen beim Frühstück, in das gute und schlechte Morgenstimmungen gemeinsam eingebettet sind, ohne miteinander zu kollidieren.
    Als Helmut die Zeitung zusammenlegt, mir zuwinkt und sich mit einem wortlosen Kuss von Marek verabschiedet, stehe ich auf und gehe ihm hinterher. Er sieht mich überrascht an, als ich ihm sage, ich wolle mich von ihm verabschieden, weil ich heute weitermüsse, und irgendetwas in Helmuts Gesicht lässt mich vermuten, dass Marek ihm gestern Abend noch Geschichten von bösen Hexen mit Amuletten zwischen den Brüsten erzählt haben muss. Wir umarmen uns. Ich danke ihm für seine Gastfreundschaft, und Helmuts norddeutsche Herkunft bricht sich Bahn, als er mir antwortet: »Da nich für.« Er sieht aus, als wolle er noch etwas hinzufügen, eine Aufmunterung vielleicht oder eine Ermahnung, aber dann belässt er es bei einem schiefen Lächeln und eilt mit seinem Mantel über dem Arm nach draußen.
    »Kombiniere: Sie hat dich angerufen«, sagt Marek, als ich mich wieder zu ihm setze. »Und? Hat sie dir die Zauberformel verraten?«
    Wenn es nach mir ginge, könnten wir gern noch eine Weile länger schweigen, aber Marek schiebt seinen Oberkörper weit über den Tisch nach vorn und legt den Kopf schräg, um in mein Blickfeld einzudringen.
    »Jetzt mach schon, Mila. Was hat die Hexe gesagt?«
    »Nenn sie nicht immer Hexe. Sie ist okay.«
    »Also hast du jetzt Simons richtigen Namen?«
    »Nein. Aber ich fahre nachher zu ihr. Sie will mich kennenlernen.«
    »Ist das dein Ernst? Diese Praxisnummer war vom Arsch der Welt. Willst du durch die halbe Republik fahren, um dieser Dame deine Aufwartung zu machen?«
    »Ich muss durch die halbe Republik fahren, um wieder zurück in meine kalte Wohnung zu kommen. Da ist ein kleiner Umweg vorher genau das Richtige.«
    »Und was, wenn sie dir trotzdem nichts verrät? Dann war der ganze Aufwand umsonst.«
    »Ich glaube nicht, dass hier irgendwas umsonst ist.«
    »Oh Mann«, sagt Marek und lehnt sich mit verschränkten Armen

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