Die eingeborene Tochter
wichtig. Ich hab deine Eltern getroffen.«
»Oh, sicher. Gut. Bring mir ein Six-Pack.«
»Deine Mom und deinen Dad – ich hab sie getroffen.«
Schweigen. Dann: »Meinen Vater? Du hast meinen Vater getroffen? Christus! Wo denn…?«
Da ist Hoffnung, dachte Julie. Ein kleiner Happen vom lieben Gott. »Ich sag’s dir… wenn du zu den Anonymen Alkoholikern gehst.«
»Ist Mom okay? Dad am Leben?«
»Versprich, daß du zu den A.A. gehst!«
»Anonyme Arschlöcher!« jammerte Phoebe. »Hab ich doch versucht! Ein Haufen Macho-Blödel prahlen mit ihren einstigen Sauforgien – vergiß es. Ist mit Mom alles in Ordnung? Sag mir lieber das!«
»Reiß dich zusammen«, sagte Julie, »und wir sprechen über deine Eltern!«
»Zwei Drinks am Tag – okay? Wie sieht mein Vater aus? Ist er in Amerika?«
»Null Drinks.«
»Du lügst doch! Du weißt gar nicht, wo sie sind!«
»Überleg’s dir.«
Vielleicht war es die Woche zwangsweiser Nüchternheit, die sie nun schon erdulden mußte, vielleicht auch der vorgeschlagene Handel – zehn Stunden später erklärte Phoebe jedenfalls, sie sehe jetzt Licht.
»Ich bin ein neuer Mensch, Katz!«
Julie sagte: »Erzähl!«
»Wirklich. Ein neuer Mensch. Wo sind meine Eltern?«
»Liebst du mich, Phoebe?«
»Natürlich lieb ich dich. Wo sind sie?«
»Wirst du für mich trocken bleiben?«
»Ich bin ein neuer Mensch. Kein Lump.«
»Wirst du zwölf Wochen trocken bleiben?« Nach zwölf Wochen, stellte Julie sich vor, würde Phoebe frei sein von der Sucht. »Kannst du das so lange trocken durchhalten?«
»Ich hab doch gesagt – ich bin kein Lump.«
»Zwölf Wochen – okay?«
»Was immer du willst.«
Zwölf Wochen – und dann? Die Wahrheit? Deine Eltern wurden beide ermordet, Phoebe, schlimm, nicht? »In zwölf Wochen werd ich dir’s erzählen.«
»Abgemacht, Kumpel. Und jetzt schließ die Scheiß-Tür auf.«
Neuer Mensch? Zweifel waren angebracht. Oberflächlich sah es gut aus. Phoebe kehrte in Nummer 522 auf der 43. Süd zurück und erholte sich. Sie verdiente ihren Lebensunterhalt mit Teilzeitjobs – Serviererin bei McDonalds, Angestellte in einer Automatenwäscherei, Packerin in einem Lebensmittelgeschäft. Täglich rief sie Julie an.
»Nüchternsein ist ein harter Brocken, Katz.« Phoebes Stimme klang unsicher, aber klar.
»Kannst du’s aushalten?«
»Meine Hände zittern. Dauernd hab ich ’ne Art Brillo-Schwamm im Mund. Yeah, ich kann’s aushalten, Pussycat. Paß auf mich auf.«
Bix hielt gar nichts von Phoebes Wandlung. Alles Schwindel, und der Handel, den sie mit Julie geschlossen hatte, eine Farce. Nach seiner Ansicht gingen sie beide ›auf Eiern‹. Julie widersprach; Bix kannte Phoebe nicht so wie sie. Bix hatte nicht mit Phoebe von der Eisenbahnbrücke gepißt oder die Parade zum 4. Juli mit totem Fisch bombardiert… Julies und Phoebes Liebe würden alle Hindernisse besiegen. Den Napoleon Courvoisier besiegen, die Bacardi-Fledermaus abschießen und den Gordon-Eber schlachten; sie würde Old Grand-Dad schlagen und Jack Daniels und Jim Beam und Johnny Walker…
An Phoebes Geburtstag brachte Julie eine Flasche alkoholfreie Traubensaftlimonade und eine Torte mit mehreren Schichten dicker Schokoladefüllung nach Nummer 522. Zur dritten Woche der Genesung! hatte der gefällige Angestellte in der Bäckerei auf die Glasur gespritzt.
Phoebe nippte am jungfräulichen Champagner. »Weißt du, was ich mir wirklich zum Geburtstag wünsche?« fragte sie. Ihr Gesicht sah verwüstet aus, die Augen rotgerändert. »Ich möchte H. Rap Brown Bear einpacken und bei meiner besten Freundin einziehen.«
»Wir haben eine Menge Kakerlaken.« Julie schnitt die Torte an. Sie benutzte ein Stilett, das Phoebe als Stricherin konfisziert hatte.
»Yeah.« Phoebe verschlang grade ›Genesung‹. Sie war nach der Mode jener Tage gekleidet – Kunstseidenbluse in grellstem Grün, goldener Ring im linken Ohrläppchen. »Ich vermisse sie.«
»Wir haben ja meinen Ehemann.«
»Er mag mich nicht, oder?«
»Bix mag dich sehr«, sagte Julie. Bix konnte Phoebe nicht ausstehen. Aber er würde zustimmen. Julie wußte das. Der Mann wurde allmählich lockerer. »Ich werde die Bretter am Fenster entfernen.«
»Großartig.« Ein neuer Mensch. Nie zuvor hätte sich Phoebe Tageslicht gewünscht.
Der Frühling zog ins Powelton Village. Julie kam zu der Erkenntnis, daß es schwerer und gleichzeitig befriedigender war, ein geistliches Amt auszuüben, als nur eines zu besetzen. Die Freundin vom
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