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Die eingeborene Tochter

Die eingeborene Tochter

Titel: Die eingeborene Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Lehre ihres Bruders: unten die Hölle, oben die Sperrholzstadt, unten Morphium, oben Hühnersuppe. Sie war einfach da, tauchte die Kelle in die Suppe, schöpfte die Suppe in Plastikbecher, gab die Becher an die schmale Frau aus Malaysia, einen asthmatisch keuchenden Pakistani, einen verlotterten puertoricanischen Jungen aus…
    »Sie sollte zu den A.A. gehen«, sagte Bix.
    »Phoebe? Sie bleibt doch trocken!«
    »A.A. wär genau das Richtige, hab ich gehört.«
    »Nicht ihr Stil.« Kelle in die Suppe, Suppe in den Becher. »Sie muß sieben Wochen nüchtern bleiben.« Den Becher bekam ein mißtrauischer, runzliger Alter mit grauverstrubbeltem Patriarchenbart, versoffener Hesekiel.
    »Unser Abmachung haut schon hin.«
    »Sieben Wochen«, spöttelte Bix. »Ich hab mir diese Sache angeschaut. Mit Alkoholikern trifft man keine Abmachungen, Julie. Man bringt sie zur Entziehungskur. Manchmal drei oder vier, bis sie trocken sind.«
    »Das ist ein Ansatz, sicher.«
    »Sieben Wochen sind Quatsch. Vergeudete Zeit. Das geht nicht bei dieser Krankheit, ist immer so. Hab ich jedenfalls gelesen.«
    »Phoebe hat große Willensstärke.«
    »Willensstärke hat damit gar nichts zu tun. Sie muß etwas fühlen, das sie nie zuvor gefühlt hat, etwas finden, das größer ist als sie selbst.«
    »Was denn? Gott?« Kelle in den Topf. Suppe in den Becher. »Vergiß es!«
    »Etwas wie die A.A. Und bis dahin gehen wir auf Eiern, mein Schatz.«
    »Das sagst du dauernd.«
    »Wirkliche Eier. Sie zerbrechen!«
    Julies Eingeweide zogen sich zu einem harten, unlösbaren, gastrointestinalen gordischen Knoten zusammen. »Hab ich dir je erzählt, was nach dem Tod passiert?«
    »Du wechselst das Thema. Eier, Julie!«
    »Jeder ist verdammt«, erklärte sie. Den Becher bekam ein zerzaustes, direkt der Phantasie der Brüder Grimm entstiegenes Geschöpf, eine ledrige, alte Hexe. »Das Leben ist so gut, wie man es macht.«
    »Habt ihr Pfeffer?« fragte die Hexe.
    »Nächstesmal«, sagte Bix.
    »Arschloch«, sagte die Hexe.
    »Versprochen«, sagte Bix.
    Julie konnte die Eier unter den Füßen fühlen. Und hörte sie schon zerbrechen.
     
    Als Julie am Morgen des 24. Juli 2012 erwachte, war sie so von einem Entschluß besessen, der ihr so klar und unzweideutig vorkam wie der Höhepunkt in einem Traum. Mit beiden Armen umarmte sie den bärenhaften Körper ihres Mannes und teilte ihm mit, es sei Zeit für eine neue Generation.
    »Huh?«
    Unten in der Hölle war es nur eine vage Vorstellung gewesen, auf dem Müllkahn eine bloße Laune. Aber nun… »Ich will ein Baby.«
    »Ein was ?« Bix löste sich aus der Umarmung.
    »Ich möchte einfach ein Baby in mir drin haben.« Das wollte sie. O ja, Göttin der Physik, o ja. Mochte ihre Mutter Planeten und Schwarze Löcher erschaffen; ihr eigener Ehrgeiz würde sich schon mit einen Fetus zufriedengeben. »Du weißt schon – eins von diesen Protoplasmaklumpen, die dann zu Zahnorthopäden oder sonstwas heranwachsen.«
    »Schon irgendwelche Vorstellungen über den Vater?«
    Sie zupfte am Gummizug seiner Pyjamahose. »Manche von ihnen werden auch Englischlehrer.«
    »Für höhere sprachliche Fertigkeiten.«
    »Höhere sprachliche Fertigkeiten.« Julie dachte: ein kleiner Klumpen, ein Baby, wie eine Kugel ans Bein gekettet – schreiend, aus organischem Material. Schreckliche Vorstellung. Aber Georgina hatte sich dem gestellt. Und ihr Vater, Herrgott noch mal; ganz allein in seinem Leuchtturm hatte er sein Sorgenkind großgezogen. »Die Uhr läuft, Mann. Verbrenn die Pariser. Machen wir ein Kind.«
    »Wirklich?« Gleich würde er in Tränen ausbrechen. »Ehrlich?«
    Sie küßte sein süßes Kinn und zog das Nachthemd aus. »Ehrlich.«
    »Ich möchte ein richtiger Kerl sein, Julie. Ich mach es wirklich.«
    Er hatte eine schöne Erektion, aufrecht wie eine Fahnenstange. Sie drehte ihren üppigen Körper zu ihm hin, ihre dicken Arme, das üppige schwarze Haar, die unwiderstehlichen Schenkel. Kloß im Hals. Ein richtiger Kerl, der Vater ihres Kindes. Wie ein schöner Planet kam sie sich vor, und da war Bix, wurde zur Erdachse, von Süden nach Norden. Als sie kam, spürte sie die eigentümliche Newtonsche Rotation, wildes Schwingen in ihrem eigenen wundersamen Leib.
    Fast vierzig: völlig sicheres Alter für eine Schwangerschaft, aber sie entschloß sich doch für eine genaue Untersuchung. Ihr Baby sollte alles haben, die beste vorgeburtliche Pflege.
    Sie studierte Listen mit Frauenärzten und konnte sich nicht recht zwischen einem

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