Die eingeborene Tochter
gummiartigen Hirnsträhnen an die Wand geschrieben.
Kleine, scharfe Explosion.
Das Geschoß schrammte über die Kopfhaut und bohrte sich in den Kühlschrank. Daneben. Daneben? Wie konnte man da vorbeischießen? Das Blut dickflüssig und warm wie der Eiweißklumpen in der Gebärmutter einer Henne. Jetzt nur keine Zeit verlieren. Die Mündung mußte diesmal anderswohin, hinter die Lippen und Zähne. Beim Blasen bestand Phoebe sonst immer auf einem Kondom; das hier war eine Ausnahme.
Finger am Abzug. Kanone im Mund, öliges Metall reizte ihre Geschmacksknospen. Und jetzt Finger abbiegen…
Das Telefon läutete.
Ach, die wunderbare, über das Grab hinaus wirkende Macht des Alexander Graham Bell! Das Telefon konnte einen bei vertraulichen Gesprächen unterbrechen, beim Vögeln, Scheißen, beim Selbstmord, bei allem. Phoebe nahm den Hörer ab.
»Geschlossen! Mach dir’s mit der Hand!«
»Phoebe!« Eine weibliche Stimme.
»Nimm zwei Aspirin, und ruf im nächsten Leben an.«
»Bist du das?«
»Ich kann jetzt nicht telefonieren. Bin dabei, mich zu erschießen. Wenn das schiefgeht, gibt’s immer noch das Dynamit.«
»Phoebe, ich bin’s, Julie!«
»Katz?« Phoebe wickelte das Telefonkabel wie eine Aderpresse um den Arm. »Julie Katz?«
»Mach nichts! Tu dir nichts an!«
»Katz? Nach fünfzehn Jahren? Katz?«
»Richtig.«
»Fünfzehn gottverdammte Jahre?«
»Stimmt, fünfzehn Jahre. Gib mir deine Adresse. Wo bist du?«
»Schlichtes Begräbnis, bitte. Keine Blumen. Nur eine Band.«
»Du bist in West Philly, nicht?«
»Rockband, keine Blaskapelle.«
»West Philly, Phoebe?«
»Südliche 34. Straße.«
»Aber wo auf der 34.? Welche Nummer?«
»Bist du wirklich in der Stadt?«
»Ja doch. Welche Nummer?«
»Was willst du wissen?«
»Deine Hausnummer!«
»34. Straße.«
»Nein, die Hausnummer!«
»522. Warum? Willst du flachgelegt werden?«
»Hör zu, ich schick dir Bix vorbei. Wir sind verheiratet. Bleib am Telefon! Du kannst bei uns wohnen. Und jetzt laß uns singen, Phoebe. ›On the Boardwalk in Atlantic City, we will walk in a dream.‹ Bleib einfach dran, Honey. Mach sonst nichts!«
»Bin grad dabei, abzudrücken, und das werd ich auch tun.«
»›On the Boardwalk in Atlantic City, life will be peaches and…‹«
»Wiedersehen in der Hölle!«
Phoebe pumpte zwei Ladungen Blei ins Telefon, Plastik- und Metallsplitter spritzten auf den Kühlschrank. Dann leckte sie liebevoll die heiße, rauchende Mündung.
43. Straße Süd, Nummer 522. Aufgeteiltes Reihenhaus, ein Apartment pro Stockwerk. Die Namensschilder der Briefkästen schmückte verwischtes, unleserliches Bleistiftgekritzel; die Mieter hatten offenbar kein besonderes Interesse an ihrer Post. Nr. 3 – Sparks. Als Türgriff eine Messingkugel, von den Händen eines ganzen Jahrhunderts glattgewetzt. Warum hatte die Idiotin aufgehängt? Konnte Phoebe nicht wenigstens einmal in ihrem Leben tun, was man ihr sagte? Die Tür ging auf. Julie stürmte die Stufen zum zweiten Stock hoch, Bix schnaufend hinterher.
Es war Julie, besser: ihrer Blase zu verdanken, daß sie diese ominöse Telefonnummer entdeckt hatten. Die Suche nach Phoebe war ein verzweifelter dreitägiger Marathon gewesen, ausgehend von einem Hotel in Kensington, und hatte sie durch jedes denkbare Personenverzeichnis im Delaware Valley geführt; Polizeiakten, Coroner-Berichte, Verzeichnisse von Steuerzahlern und Wohlfahrtsempfängern. In den Philadelphia Daily News gaben sie eine Anzeige auf: Phoebe – melde dich! Queen Zenobia, Box 356. Und dann endlich, zehn Minuten, nachdem der Friedensrichter von Upper Darby Township sie zu Bix’ Ehefrau erklärt hatte, ging Julie aufs Damenklo und dort sah sie es, auf die graue Mauer gekritzelt: »Profi-Sex! – Die grüne Zauberin. 886-1064. Für Sie und Ihn!«
Apartment 3 war versperrt. Julie klopfte, keine Antwort. Aber nun kam Bix, Father Paradox, zu Hilfe, und wuchtete seine zweihundertzwanzig Pfund gegen die Tür.
Drin sah es aus wie nach einem Tornado: Wirre Kleiderhaufen, verstreute Zeitungen und Bacardi -Flaschen, ein altersschwacher, zerfranster Teddybär in einer Ansammlung Tastycake-Packungen und Schachteln mit Girl Scout Cookies. Dahinter in der kahlen Küche eine Gestalt im minzgrünen Bademantel über den Tisch gesunken, die verkrustete Blutspur klebte wie eine Schlange an ihrer Stirn.
Julie stürzte auf sie zu. Oh, gib mir wieder göttliche Kräfte, Mutter, ich werde ihr jedes einzelne Neuron in Ordnung
Weitere Kostenlose Bücher