Die eingeborene Tochter
gewollt. Nimm ihn, okay?«
»Ich habe Angst, daß ich… Ich hab Angst.«
Das Baby begann zu schreien. Das kleine Gesicht wurde rot wie Lackmuspapier in Säure. »Weißt du, meine Mutter hat dich damals gestillt, richtig mit ihrer eigenen Milch«, sagte Phoebe und machte die linke Hälfte des Büstenhalters auf. Sie steckte ihrem Sohn die dunkle Brustwarze in den Mund. Die Korporale schauten her. »Du und ich sind an derselben Brust aufgewachsen.«
In dem Schweigen, das sich nun herabsenkte, war nur Klein-Murrays eifriges Saugen zu hören, ein Laut wie von den plätschernden Wellen der Absecon-Bucht am Pier.
»Noch 17 Minuten«, sagte Horrocks.
»Sei ruhig, du kleines Arschloch!« zischte Phoebe.
»Nimm’s nicht so schwer«, sagte Julie.
Bix seufzte, ein langgezogener Baßton. »Hör zu, Julie, sie haben nicht vor, dich zu verbrennen. Es ist etwas… anderes.«
»Ich weiß.« Julie warf einen kalten Blick zum Himmel. »Eine Anti-Kreuzigung für eine Antichristin. Gute alte Gottheit – immer hält sie Ausschau nach mir.«
»Und danach… morgen… geben sie uns dann… Ich meine, unser Passierschein gilt bis Sonnenuntergang… Wir gehen heim und kommen dann zurück… Und dann geben sie uns… du weißt schon.« Er holte tief Luft, blies die Backen auf. »Deinen Körper.«
»Mein Fleisch.«
»Phoebe und ich werden tun, was immer du willst«, sagte Bix. »Shivah sitzen, dich ins Krematorium bringen, Totenwache halten… alles.«
Julie ballte ihre Phantomfaust. Hatten Bix und Phoebe tatsächlich schon über ihre Beerdigung gesprochen? Sie war erschrocken und fasziniert zugleich. Da wäre sie gern dabeigewesen. »Wirf mich einfach in die Bucht, Darling. Bestatte mich auf See.«
»Absecon Bay?«
»Mein alter Spielplatz.«
»Sicher. Absecon Bay.«
»Noch etwas. Bevor du mich versenkst, will ich einen Kuß.«
»Einen Kuß. In Ordnung.«
»Einen Kuß auf die Lippen, Bix. Richtig auf meine toten Lippen.«
»Ich versprech’s dir.«
»Ich habe Angst.«
»Natürlich.«
»16 Minuten«, sagte Horrocks.
»Warum hältst du nicht das Maul?« fuhr Phoebe den Wärter an. Ihre Finger trommelten auf die Pentecost Pizzas- Schachtel.»Hungrig?« fragte sie.
Seltsam, sie hatte Appetit. »Auf Pizza? Immer!«
»Wir haben aufgepaßt, daß sie’s richtig machen.« Bix stellte die Schachtel auf den Boden und hob den Deckel ab. Eine göttliche Duftwolke stieg auf; die Alchemie eines Mozzarella-Gletschers, der durch den Teig wandert. »Pepperoni, Extraportion Käse.«
Julie dachte über die Garnierung nach. Hieß die Mehrzahl Pepperonis oder Pepperoni? Gott, was für verrückte Sachen spuken dieser verurteilten Inkarnation Gottes bloß im Kopf herum! »Kannst du dich an unser Picknick im ›Deauville‹ erinnern? Hast du vielleicht Tastycake-Krumpets dabei, Phoebe? Oder Cola Light?«
»Nein«, sagte Phoebe. »Tut mir leid. Aber ich kann mich erinnern.«
»Sind diese Dinger jetzt Pepperonis oder Pepperoni? Gibt’s überhaupt ein Wort wie ›Pepperonis‹?«
»Was meinst du?« fragte Phoebe.
»Diese wurstförmigen Dinger.«
»Pepperoni, glaub ich. Warum?«
Julie zuckte die Achseln. Sie kniete nieder, hielt die Schachtel mit dem Armstumpf fest, riß ein gleichschenkliges Dreieck heraus und ließ es in ihren Mund gleiten. Parodie eines französischen Kusses. Ihre zweihundert Geschmacksknospen zeigten sich der Lage gewachsen; schwollen an und meldeten jede Nuance des Käses, jedes glitzernde Geschmacksdetail der Pepperoni. Seltsamerweise war es angenehm, so tapfer zu sein. Lächelnd kaute sie sich durch die Kruste. Wenn es nicht wegen Klein-Murray gewesen wäre, hätte keiner von ihnen das Essen beendet, ohne zu weinen oder verrückt zu werden. Das Baby war ihr Mandala, Garant des zerbrechlichen Burgfriedens mit der Hysterie. Jedes beiläufige Rülpsen, Glucksen und Lächeln löste bei den drei Erwachsenen freudiges Geplapper aus, als habe noch nie irgendwo ein Baby sowas Spezielles hervorgebracht. – Als sie gegessen hatte, war Julie bereit für ihn.
»Hier«, sagte sie, streckte bittend ihre eine Hand aus.
Trunken von Milch lag Murray auf Phoebes Schulter wie ein übergroßer Bohnenbeutel. »Es ist ganz einfach.« Phoebe hob ihn auf, demonstrierte etwas, das sie den Football-Griff nannte. »Nimm die Hand, die ich nicht wegziehe, und leg sie unter seinen Kopf.«
»Sieben Minuten«, sagte Horrocks.
Julie gefiel der Football-Griff. Dabei verliert man nie den Blickkontakt, kann das Baby gleichzeitig bewegen und
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