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Die eingeborene Tochter

Die eingeborene Tochter

Titel: Die eingeborene Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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schwangere Bisexuelle und die frühere Göttin – zu einem dichten Knoten von Bein und Fleisch wurden, Klein-Murray wie ein Schiffsfender zwischen dem Rumpf seiner Mutter und dem Dock seiner Schwester gefangen, und einen flüchtigen Augenblick lang hatte Julie keine Angst mehr.
     
    Bruder und Schwester, Klein-Murray und Julie Katz, schwimmen Seite an Seite durch den Spielzeugzoo – so ähnlich war der Traum, den die Polizisten brutal unterbrachen, als sie sechs Mann hoch in Zelle 19 hereinplatzten; die üblichen glattkinnigen Korporale mit der gezückten Mauser in der Hand. Als nächster kam Horrocks herein und klapperte mit einer Stahlschere.
    »Tut mir leid«, sagte er. Schnipp, Schnipp. »Bin kein Friseur, trotzdem…«
    »Friseur?« stöhnte sie und erhob sich von ihrem Strohlager. Sie gähnte. Langsam sickerte die reale Welt in ihr Bewußtsein. Schützend preßte sie die Hand auf ihre Flechten. Die waren das Beste an ihr; immer schon gewesen, und noch immer lang und wild wie bei Phoebes transsylvanischem Kostüm, noch immer glatt und glänzend wie Lakritze.
    »Bringen wir’s hinter uns«, sagte Horrocks.
    Er gab sich gar keine Mühe, den Anschein besonderer Finesse zu erwecken, sondern attackierte ihr Haar wie ein selbstsüchtiges, blödes Kind, wenn es die Schnur vom Weihnachtspaket abreißt. Die abgeschnittenen Locken taumelten wie Rabenfedern zu Boden und vermengten sich mit dem feuchten Stroh. Um ihren Schädel wurde es immer kühler. Sie malte sich ihre idiotischen, nackten Ohren aus, die ausgesetzte S-förmige Narbe, stellte sich vor, wie gezackte Haarbüschel überall von ihrem Skalp abstanden. Spiegel waren im New Jersey-Staatsgefängnis Gottseidank verboten. Sie wollte ihr Spiegelbild auch gar nicht mehr sehen.
    »Fertig«, sagte der Wärter.
    Die Polizisten führten sie durch ein Labyrinth von Stiegen und Korridoren nach oben. Vorneweg Horrocks, der Türen aufsperrte, Schranken öffnete, die aufwärts führende Via dolorosa freimachte.
    »Man erwartet, daß du unter die Dusche gehst«, sagte er. »Du solltest sauber sein, wenn es losgeht.«
    Er stieß sie in den Waschraum, dessen Wände wie Zeichenpapier mit einem Gittermuster überzogen waren. Hie und da war das Muster gestört, weil ein paar Ziegel herausgefallen waren; wie Fotos, die sich aus einem Album gelöst hatten. Über dem bemalten, dreiteiligen Wandschirm zwischen Waschbecken und Dusche hing ein brandneuer Pyjama. Julie trat hinter das Wandgemälde – der vom Tode erweckte Lazarus, die Beschwichtigung des Sturms am See Genezareth, das Weinwunder zu Kanaa. Sie zog sich aus. Zum erstenmal in ihrem Leben hatte sie ihr Idealgewicht, 130 Pfund. Als Diät war die schiere Furcht unschlagbar.
    Sie verbrachte eine volle halbe Stunde damit, sich den Gefängnisdreck abzuschrubben. Das Wasser perlte von ihren festen Schenkeln, schlappen Brüsten, von ihrem verwüsteten Kopf.
    Wieder angezogen lieferte sie sich Horrocks und den Polizisten aus, die sie aus dem Kerker in die goldene Stadt eskortierten. In den Seitenstraßen des ›Platzes der Ewigkeit‹ drängten sich die Bürger, Männer in weißseidenen Anzügen, Frauen in fahlgelben Kleidern, Kinder in Lederhosen oder Bermuda-Shorts. Alle schienen gespannt und verwirrt, sie wußten offenbar nicht recht, was sie mit ihr anfangen sollten; sie hatten noch nie zuvor eine Antichristin gesehen. Sollten sie sich nun auf Jesu bevorstehende Wiederkunft freuen, oder das Fleisch seine Widersacherin verfluchen? Für jedes dumpfe Wyvern-mäßige ssss hörte Julie auch ein Hosianna! oder Freudenrufe. Vielleicht, daß sie sie sogar… liebten? Zwiespältig, das alles.
    Eine Tomate kam aus der Menge geflogen und zerplatzte an ihrer Schulter. Die Polizisten reagierten sofort, schirmten sie ab, zückten die Pistolen, aber schon kam noch mehr Abfall geflogen – faule Eier, matschige Zuckermelonen, durchweichte Salatköpfe, ein Sperrfeuer von Abfall klatschte auf ihren neuen Pyjama nieder. Wann hatte sie je darum gebeten, Gottes Tochter zu sein? Was war das für eine Mutter, die sowas zuließ?
    Die Menge löste sich auf wie ein schmelzender Eisberg und verlief sich. Und weiter ging der Todesmarsch. Über die Kreuzung mit der Advent Avenue, am Teich von Siloam vorbei, in dem sich die Tomas de Torquemada Memorial-Arena klar und deutlich spiegelte, was Julie dazu brachte, ihr inneres Leben in diese Spiegelsymmetrie eines Rorschach-Tests zu projizieren. Was siehst du nun, Tochter Gottes? Ich sehe zwei Arenen. Ich sehe

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