Die eingeborene Tochter
weiße Tücher auf den Tischen; und überall Staub wie frisch gefallener Schnee. Phoebe wuchtete den Army-Rucksack ihrer Mutter auf den nächsten Tisch und holte sechs Aluminium-Büchsen hervor. Die Büchsen waren paarweise durch Plastikringe verbunden. Julie spürte, wie ihr Magen zu flattern begann. Coke war das nicht.
»Wo hast du das her?« fragte sie. Bier. Budweiser.
»Gratis.« Phoebe zog sich einen staubigen Sessel her und setzte sich. »Wenn du ein Dieb bist, ist alles gratis.«
Das Wandgemälde an der Wand gegenüber zeigte ein finster blickendes steinernes Götzenbild inmitten von Palmen an einem Südseestrand. Blaues Wasser plätscherte über den Sand, der so rein und weiß war wie künstlicher Süßstoff.
»Dort sollten wir einmal hin.« Phoebe fummelte zwei Budweiser aus der Halterung. »Wir können nicht unser ganzes Leben in dieser lächerlichen Stadt vertun.« Sie schob die runde Lasche wie einen Ring über ihren kleinen Finger und riß den Verschluß auf.
»Gute Idee«, sagte Julie. Die Augen des Götzen waren halbkreisförmig wie die Halbmonde an zwei benachbarten Außenklos. Die dicken Lippen bildeten einen perfekten Kreis. Phoebe soff gleich die halbe Büchse leer.
»Bud’s ist das beste, Katz, Ehrenwort! Bud’s ist das beste.« Sie rülpste hingebungsvoll und wischte sich mit dem Handgelenk den Schaum vom Mund. Julie öffnete den A&P-Beutel und zog den Rest des Festmahls hervor – eine Schachtel Brezeln, eine Schachtel Schokoladeplätzchen, eine große Flasche Cola Light und vier in Wachspapier eingewickelte Pakete Tastycake-Krumpets. »Hervorragende Auswahl. Wirklich hervorragend.« Phoebe verputzte das Bier in drei gierigen Schlucken. »He… he, weißt du, wie ich mich jetzt fühle? Weiß… weiß du, wie? Be… beschickert. Probier’s doch, Kind. Komm schon, mach mit!«
Julie zog die Lasche ab und nahm einen Schluck. Sie schüttelte sich. Ameisen mit spitzen Absätzen tanzten auf ihrer Zunge. Schaudernd schluckte sie das Bier. »Äahch!«
»Das ist Leben, was?« Phoebe lachte wie ein ganzer Haufen Schwachsinniger und öffnete ihr zweites Budweiser.
»He, jetzt, wo ich schon betrunken bin, kann ich dir sagen, wie komisch du bis… Katz, total komisch. Du… du bis komisch, Katz.«
»Komisch? Ich bin komisch! Du bist doch die, die von Brücken pinkelt!«
»Gestern abend hab ich gehört, wie unsere Eltern über deine Gottheit geredet haben. Was ist das, deine Gottheit?«
»Ich weiß nicht.« Sie wußte es wirklich nicht. Hatte vielleicht mit ihrer Mutter zu tun.
»Natürlich weißt du’s. Sag’s mir. Keine Geheimnisse.«
»Ich glaub, es ist das, was ein Mädchen zur Jungfrau macht.«
»Wirklich?«
»Yeah.«
Immer drei Tastycake-Krumpets waren in einer Packung: drei wundervolle Biskuit-Ziegel mit Butterscotch-Creme dazwischen. Phoebe verschlang eins davon mit einem einzigen ungeheuren Biß und spülte mit Bier nach. »Budweiser ist so gut«, sagte sie schwächlich und taumelte unsicher gegen die Wand wie jemand, der barfuß auf dem heißen Gehsteig läuft. »Wir wollen die anderen Krumpets für später aufheben.«
»Happy birthday, Phoebe!«
»Danke, Katz. Ich werd… dir… was verraten. Rat mal… was.«
»Was?«
»Mir wird schlecht.« Ein doofes Grinsen erschien auf Phoebes Gesicht, und sie erbrach sich auf das Südsee-Wandgemälde.
Julie sprang auf. Das steinerne Götzenbild trug einen Bart aus Kotze.
»Mein Gott, Phoebe – bist du okay?« Das ganze Restaurant stank schon so furchtbar, daß Phoebes Kotze gar nichts mehr ausmachte.
»Das Bier ist verdammt zu warm, das ist es.« Phoebe zog einen zerfetzten Lumpen vom nächsten Tisch und wischte sich den Mund ab. »Trink niemals warmes Bier. Jetzt weißt du’s!«
»Jetzt weiß ich’s.«
Julie wollte heimgehen, aber Phoebe beharrte darauf, die Party habe ja kaum erst angefangen. Gemeinsam erkundeten sie die oberen Stockwerke des ›Deauville‹, wanderten durch schuttbedeckte Dielen, schluckten Staub und inhalierten Moderluft. Sie brüllten »Arschloch!« und »Pißnelke!« in den Aufzugschacht und kicherten über die schmutzigen Echos.
»Teilen wir uns auf«, sagte Phoebe. Sie stand auf einem dünnen braunen Bein und lehnte am leeren Aufzugschacht. So sah sie wie eine geöffnete Schere aus. »Du gehst oben lang.«
»Huh? Warum?«
»Ist auf die Art mehr wie ein Abenteuer. Wer das tollste Zeug findet, darf die übrigen Krumpets essen.«
»Die Krumpets? Ich dachte, dir ist schlecht?«
»Nichts ist besser
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