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Die eingeborene Tochter

Die eingeborene Tochter

Titel: Die eingeborene Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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weit draußen ein kleines Kind entdeckt, wird er verrückt. Statt dessen kreuzt du über den Grund und paßt auf, bis du die strampelnden Beine der Schwimmer über dir siehst.
    Du steigst auf, durchbrichst den Wasserspiegel und fühlst die scharfe, klare Luft im Gesicht. Touristen spazieren auf der Promenade, von einem Casino ins nächste. Am Grund der Bucht ist die Sonne wie eine Mutter, die über dich wacht – ruhig, sanft, niemals streng –, aber hier oben ist sie heiß und grimmig – wie manche Leute denken, Gott ist so. Was hat man davon, daß Gott die eigene Mutter ist, wenn sie nicht einmal eine Geburtstagskarte schickt? Warum hat dich Gott an diesen Ort gesteckt, dieses dreckige, alte Atlantic City, wo die Erwachsenen ihre Zeit mit Spielen vertun? Das ist nicht fair. Phoebe hat eine Mutter. Jeder hat eine.
    Du blinzelst in die blendende Sonne und möchtest gerne wissen, ob nicht Gott gerade jetzt über die Himmelskante schaut und mitkriegt, wie toll ihr Kind schwimmen kann.
     
    Gegen Ende der vierten Klasse mußten Julie und ihre Klassenkameradinnen Aufsätze schreiben. Titel: ›Meine beste Freundin.‹ Das Problem war natürlich, was man über Phoebe sagen konnte, ohne sie beide in Kalamitäten zu bringen. »Am meisten gefällt mir an meiner besten Freundin Phoebe Sparks«, begann Julie, »daß man mit ihr eine Menge Spaß hat.«
    Dank Phoebe Sparks wurde Julie sehr erfahren darin, Steine in die Fenster der leeren Hotels von Atlantic City zu schmeißen und sich in die Swimmingpools der bewohnten Hotels zu schleichen. Innerhalb eines Monats hatte Phoebe ihr das Zigarettenrauchen beigebracht; wie man Graffiti auf Güterwagen sprayt und Buchstabendrachen so steigen läßt, daß sich am Himmel dann schmutzige Wörter ergeben – und wie man im Bogen von einer Eisenbahnbrücke runterpinkelt wie ein Junge.
    »Meine beste Freundin und ich verkaufen gern zusammen Pfadfinderplätzchen«, schrieb Julie in ihrem Aufsatz. Die Requisiten für die meisten ihrer Streiche kamen aus Smitty’s Smile Shop. Tante Georgina wußte, wie Mütter sich verhalten sollten; es verging kaum ein Abend, an dem sie nicht einen Heuler, einen Furzspray oder etwas ähnlich Schönes mitbrachte. »Halbwaisen wie wir werden immer verwöhnt«, meinte Phoebe, als Julie die Schätze erblickte, die Phoebe in einer Satteltasche aufbewahrte. Die lag über einem Holzpferd, das sie von dem abgebrochenen Karussell am Steel-Pier gestohlen hatte.
    »Wie meinst du das, ›verwöhnt‹?«
    »Wir kriegen, was wir wollen. Eben, weil unsere Eltern wissen, daß sie mit wem verheiratet sein sollten.«
    »Du denkst immer daran, dein Vater wird auftauchen, Phoebe? Du weißt schon, eines Abends kommt er einfach zum Abendessen und so?«
    »Ich denk dauernd dran. Mom sagt, er ist Meeresbiologe. Sehr klug und brillant.« Phoebe kramte einen Streifen Knallfrösche hervor. »Es ist komisch, ich hab nie sein Bild oder so gesehen, aber ich kann ihn mir vorstellen, wie er in seiner Marine-Uniform dasteht und durchs Mikroskop schaut.«
    »Weißt du, was ich glaube?« Julie fischte den Scheißhaufen aus Gummi heraus, den sie gerne in die Ausgabefächer der Spielautomaten legten und dann schrien: »Die Maschine scheißt ja!«, was unweigerlich eine Menge Leute anzog. »Ich glaube, deine Mutter und mein Vater sollten heiraten.«
    Phoebe zog einen Knallfrosch aus der Packung und steckte ihn wie eine Marlboro in den Mund. »Das klappt nie.«
    »Warum nicht?«
    »Dafür bist du noch zu jung.«
    »Ich bin älter als du.«
    »Du würdest es nicht verstehen«, sagte Phoebe und zog an ihrem Knallfrosch.
    »Tempelhüpfen und Seilspringen sind nur zwei der vielen Spiele, die meine beste Freundin Phoebe und ich zusammen spielen«, schrieb Julie.
    Zwei Tage vor ihrem zehnten Geburtstag entschloß sich Phoebe eine Party zu geben – »eine Vor-Party, nur du und ich, Katz« –, und zwar im verlassenen Deauville-Hotel, dessen bröckelige Gemäuer direkt an das famose neue Casino ›Dante’s‹ grenzten.
    Die tiefliegende Tür war nur einen Spalt weit offen, aber die magere Phoebe schlüpfte leicht durch. Als sie drin war, gab sie der Tür einen festen Stoß und öffnete sie so weit, daß Julie mit der prallen A&P-Einkaufstüte gut durchkam. Das Kellergeschoß war feucht und dunkel. Es roch wie ein Eimer voll gebrauchter Windeln.
    Phoebe führte sie durch ein knarrendes Stiegenhaus hinauf in ein Restaurant mit dem Namen ›Aku-Aku‹. Überall am Boden lagen Glasscherben, schmierige

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