Die Eingeschworenen Raubzug
unwichtig. Selbst heute weiß ich nicht, was ich eigentlich von ihm zu hören hoffte. Dass es ihm leidtat? Dass er mich um Verzeihung bat?
Stattdessen kam es mir vor, als seien wir drei oder vier Ruderbänke weit voneinander abgerückt. Wenn das so weiterging, würden wir bald auf verschiedenen Schiffen rudern, er und ich.
An dem Tag in Känugard jedenfalls wollte ich nichts von alldem hören, ich wollte mich nur betrinken und mich mit Frauen amüsieren.
Und ich tat beides. Heute, nach all den Jahren, kann ich mich nur bruchstückhaft an die Einzelheiten erinnern, und wahrscheinlich auch nur an das, was andere mir erzählt haben. Wir trafen auf eine Gruppe von Griechen, Zimmerleute, die der Herrscher von Miklagard geschickt hatte. Sie hatten monatelang in Känugard Holz
geschlagen und riesige Belagerungsmaschinen gebaut, die man in Teile zerlegt transportieren konnte. Sie kannten die besten Häuser in der Stadt, wo man sich vergnügen konnte.
Dort gab es jede Menge Frauen und ich erinnere mich nur noch, dass ich auf einem Tisch gebumst habe. Man erzählte mir, ich hätte gewettet, dass ich es mit der Fettesten und Hässlichsten im Haus treiben könnte und die Wette gewonnen, obwohl Ketil Krähe überzeugt war, dass ich es bei der, die sie ausgewählt hatten, nicht schaffen würde. Aber wie Valknut bemerkte: Nach acht Hörnern Met sieht selbst die hässlichste alte Vettel wie Thors goldhaariges Weib Sif aus.
Die hatte ich getrunken, und noch mehr. Ich hatte noch nie so viel getrunken und weiß nur noch, dass man mich aus meiner eigenen Kotze zog und mein Haar davon verklebt war. Von irgendwoher muss Wasser gekommen sein, denn ich war tropfnass, aber ich spürte nichts. Später erfuhr ich, dass man mich zu unserem Schiff getragen hatte, wobei meine ebenfalls nicht ganz nüchternen Träger mich ein paarmal fallen ließen und schließlich auf meinen pelzgefütterten Schlafsack warfen.
Aber woran ich mich noch sehr gut erinnere, ist, wie mir jemand einen Tritt versetzte und ich lautes Schreien hörte. Ich sah Gestalten und Flammen und jemand schrie – fast direkt in mein Ohr, sodass ich dachte, der Kopf würde mir platzen: »Schnapp dir deine Waffen, du Arschloch, man hat uns geentert!«
Mit Mühe rappelte ich mich auf. Ich fand mein Schwert und tastete im fahlen Licht des Morgengrauens nach meinem Schild. Ich versuchte mich zu erinnern, wo ich eigentlich war. Die Waffen immer in Griffweite, war mir in
der ersten Zeit an Bord eingebläut worden. Immer in Griffweite …
Dann stand ich an Deck des russischen Schiffs, auf dem Gestalten im Dunkeln kämpften und schrien. Stiefel polterten, Klingen blitzten, Schilde krachten. Ich sah Ketil Krähe, der sich wie ein wütender Terrier auf eine Gruppe Männer stürzte und wild um sich hieb, dann zog er sich zurück, ehe sie sich formieren konnten, um zurückzuschlagen. Seine Rüstung glänzte rot im Fackelschein.
In der vagen Absicht, seine ungeschützte Seite zu decken, stürzte ich zu ihm hin. Als ich ihn erreichte, kamen drei Männer auf uns zu, geduckt und abwartend, aber entschlossen. Ich erkannte keine Gesichter, aber ich hatte im Nu begriffen, dass die riesengroße Dänenaxt eine Gefahr darstellte.
Der Schlag kam. Er krachte auf meinen Schild mit einem Geräusch wie ein fallender Baum und brachte mich zum Schwanken. Ketil Krähe kämpfte schnaufend und keuchend mit den beiden anderen, für die er als Linkshänder ein ungewohntes Problem darstellte. Aber der Mann mit der großen Axt gehörte mir ganz allein.
Ein erneuter Schlag ließ mich rückwärts taumeln, dann drehte er die Axt blitzschnell um und zielte mit dem Stiel auf meinen Schwertarm, aber ich wehrte ihn ab, sodass der Schlag erst den Rand meines Schildes traf, dann die Seite meines Kopfes.
Meine Welt bestand nur noch aus Blitzen und Schmerz. Ich sah nichts, die Schreie um mich her waren verstummt. Etwas Riesiges traf meinen Schildarm – dann kehrte ich in die Wirklichkeit zurück. Der Schrei, den ich hörte, war mein eigener. Die Dänenaxt wirbelte wieder herum und ich war auf ein Knie gegangen.
Er war gut, dieser Axtkämpfer. Er gab den Versuch auf, meinen Schild zu zerschmettern, und rammte jetzt den Axtkopf dagegen, um ihn mir aus der Hand zu schlagen, dann drehte er die Axt wieder um und versuchte, mir ihren Griff ins Gesicht zu schlagen. Ich schwankte, meine Trunkenheit war einer ungeheuren Angst gewichen, doch es gelang mir, den Schlag abzuwehren, und ich stand wieder auf festen Füßen.
Im
Weitere Kostenlose Bücher