Die Eingeschworenen Raubzug
ich spürte, wie Splitter in meinen Arm drangen und flog in den Raum hinein, begleitet von einem Regen aus Holzsplittern, aufgewirbelten Binsen und Stroh, das hier gelagert wurde.
Ich fiel, rollte mich ab und stand auf. Ich nahm den Sax aus dem Mund und fing an, wie wild damit um mich zu schlagen, aber der Raum war leer und das Einzige, was ich erreicht hatte, war, dass ich mich am Mund und an der Zunge geschnitten hatte.
Ich sah eine Tür mit einem Vorhang davor. Ich riss ihn zur Seite und stand in einem weiteren Flur mit mehreren Türen, ebenfalls mit Vorhängen verschlossen. Eine Treppe führte nach unten ins Dunkle, von wo der typische Gerbereigestank nach Pisse durchdringend hochstieg. Ich merkte, wie mir Schweiß und Blut übers Gesicht liefen, und spuckte aus. Einer meiner Mundwinkel tat höllisch weh. Ich keuchte und war klitschnass und völlig verzweifelt, weil ich ihn verloren hatte.
Ich rannte in den ersten Raum und riss die Vorhänge von den Türen zurück: Kisten, Ballen, tote Ratten, lebendige Ratten. Der nächste Raum hatte wieder eine quadratische Öffnung, durch die Licht auf frische Holzabfälle fiel, dann kam ein Raum mit einem Strohlager und sonst nichts …
Dann ein Raum mit eingeschlagenem Fensterladen und zersplittertem Holz auf dem Boden. Hier war er also hereingekommen. Und wieder hinaus. Ich rannte zum Fenster, steckte den Sax unter meine Kotte und schwang mich hinaus. Diesmal zog ich mich hoch auf das schräge Schindeldach, das in der Sonne so ausgetrocknet war, dass die Schindeln sich lösten und wie dünnes Eis brachen. Ich rutschte darauf aus und fluchte.
Dann sah ich ihn. Seine rote Kotte war zerrissen, er zog das offene Band des einen Beinwickels hinter sich her, und auch eines der violetten Bänder in seinem Gabelbart hatte sich gelöst. Wütend funkelte er mich an und rutschte auf den Schindeln der anderen Seite des Daches hinunter.
Bei Odins Arsch, würde er denn niemals aufgeben? Ich rutschte hinter ihm her, sah die schmale Mauer aus Feldsteinen, auf die er sich hatte fallen lassen – breitbeinig,
wie ich mit grimmiger Befriedigung sah – und auf der er sich jetzt schmerzverzerrt aufrichtete.
Die Männer im Hof der Gerberei schrien hinter uns her, aber auf der anderen Seite der Mauer war die Straße. Ich sprang ebenfalls auf die Mauer hinab, wobei ich es schaffte, nicht so ungeschickt zu landen wie er. Ich taumelte zwar einen Augenblick, fand aber mein Gleichgewicht wieder, gerade als Vigfus sich anschickte, mit ausgestreckten Armen balancierend auf der unebenen Mauer davonzulaufen.
Ich sah, wie Einar und Gunnar Raudi und die anderen aus dem Hof der Gerberei gelaufen kamen, aber die Mauer war zu hoch, als dass sie ihn hätten erreichen können.
Er sah sie im selben Moment wie ich, überlegte genauso schnell wie sie und wich den Waffen aus, die sie sich anschickten, auf ihn zu schleudern, indem er mit einem Fluch zur Straßenseite hin von der Mauer sprang.
»Schnell, lauft außen herum!«, schrie ich und sie machten kehrt und rannten den langen Weg an den Häusern entlang, wobei sie rücksichtslos jedes Hindernis zur Seite fegten.
Sie würden es niemals schaffen, ehe er verschwunden war, also sprang ich ebenfalls von der Mauer, wobei ich versuchte, meinen Fall dadurch zu bremsen, dass ich über einem Obststand absprang. Ich verursachte ein ziemliches Chaos und wurde sehr klebrig. Wütendes Geschrei folgte mir, als ich aufstand und davonhinkte. Es war doch keine so gute Landung gewesen, ich hatte mir offensichtlich den Knöchel verstaucht.
Vigfus war in keiner besseren Verfassung als ich, aber als er trotzdem wieder anfing zu rennen, warf ich mich
vorwärts und erwischte gerade noch das Ende des eleganten violetten Bandes von seinem Beinwickel.
Mit einem Schrei fiel er hin, mit dem Gesicht in die ausgetrockneten, staubigen Wagenspuren. Er krabbelte weiter und trat nach mir, sein Gesicht eine wütende Maske aus Blut und Dreck.
Plötzlich sah ich mit lähmendem Entsetzen den weißen Haarschopf von Gunnbjörn, der durch die aufgebrachte Menschenmenge eilte, um seinem Jarl beizustehen. Vigfus richtete sich mühsam auf und Gunnbjörn kam grinsend auf mich zu, das Schwert in der Hand. Ich sah, dass seine Augen seltsam farblos waren, selbst seine Wimpern waren weiß.
»Lass ihn«, keuchte Vigfus. »Hilf mir lieber – ich muss hier weg. Einar wird gleich da sein.«
Gunnbjörn knurrte mich böse an, dann legte er den Arm seines Herrn um seine Schulter und zog ihn auf die
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