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Die Eingeschworenen Raubzug

Die Eingeschworenen Raubzug

Titel: Die Eingeschworenen Raubzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Low Robert
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einen Speer, der aus der Gasse zu unserer Linken geschleudert worden war und über die Straße auf Gunnar Raudi zuflog.
Sie hatten eine Wache aufgestellt, die wir alle übersehen hatten.
    Die Götter allein wissen, wie Gunnar es gesehen hatte – selbst für ihn war es nicht mehr als eine Bewegung am Rand seines Gesichtsfeldes. Er duckte sich tief und der Speer verfehlte ihn knapp. Er flog in einen Verkaufsstand und man hörte einen Aufschrei.
    Jetzt wurde geschrien und alles lief durcheinander. Gunnar prallte mit zwei Männern zusammen, die einen Stoffballen trugen. Ich stand da und gaffte, bis mich ein Schlag traf, der mich Sterne sehen ließ, und ich dachte, mein Kopf würde zerspringen.
    »Beweg dich, du Rattenfurz! «, brüllte Großnase im Vorbeilaufen.
    Ich stolperte, stieß mit einer schreienden Frau zusammen, fiel aufs Knie und hob den Kopf, halb blind vor Staub und Helligkeit und völlig verwirrt. Ich sah Gunnar Raudi links in der Gasse verschwinden, hinter dem Speerwerfer her.
    Großnase war stehen geblieben, denn der weiße Gunnbjörn und die beiden anderen hatten ihre Schwerter gezogen und kamen auf ihn zu, wurden allerdings ziemlich behindert von den vielen aufgeschreckten, schreienden Menschen, die noch immer durcheinanderliefen.
    Vigfus verschwand im Haus des Gerbers.
    Ich sprang auf, und ohne zu überlegen, was ich tat, rannte ich ihm nach. Hinter mir hörte ich Einar und die anderen mit gezogenen Klingen brüllen.
    Beim Übergang vom hellen Sonnenlicht in die Dämmerung der Gerberei sah ich einen Augenblick gar nichts, also blieb ich stehen und versuchte, mich zu orientieren. Dann sah ich das silberne Blitzen von Vigfus’ Gürtel, er
selbst lief gerade eine Treppe hoch. Mit dem Sax in der Hand jagte ich hinter ihm her, drei Stufen auf einmal nehmend.
    Er rannte in eine enge Werkstatt und schoss um die Ecke in einen Raum, dessen Fensterläden geöffnet waren und der von Licht durchflutet war. Ich folgte ihm, wobei ich die glatten Sohlen meiner Lederstiefel verfluchte, weil ich in ihnen auf dem Holzfußboden nur schlecht Halt fand. Ich rutschte, als hätte ich Schlittschuhe aus Knochen an, direkt auf einen Tisch zu, wo die Lagerverwalter mit ihren Kerbhölzern und den Notizen auf Birkenrinde erschreckt auseinanderstoben.
    Inmitten dieses Durcheinanders aus Geschrei und Gepolter und meinem Schmerz wegen eines angeschlagenen Schienbeins sah ich Vigfus am Ende des Raumes stehen. Ich dachte, ich hätte ihn. Es gab keinen Ausweg.
    Außer durch das geöffnete Fenster, und genau den nahm er mit einem Sprung seiner langen Beine.
    Fluchend rappelte ich mich auf, stieß einen rotgesichtigen, schreienden Lagerverwalter, der mir im Wege stand, vor die Brust und eilte ebenfalls zu dem Fenster.
    Darunter war ein schräg abfallendes Vordach, von dem aus man auf den großen Hinterhof der Gerberei und seine kleinen Nebengebäude gelangen konnte. Im Hof sah man Tonnen, Holzrahmen, gespannte Leinen und halb nackte, schwitzende Männer, die stinkende Felle an langen Stangen befestigten oder die Feuer unter den kochenden Kesseln in Gang hielten. Die Hitze und der beißende Gestank waren überwältigend, es war, als atmete man durch nasse Tücher.
    Vigfus rannte über die Holzschindeln des Vordachs. Er fiel über eine Leine, die man für Wäsche und Teppiche
gespannt hatte, rollte ein Stück weit und einen Moment hoffte ich inständig, er würde abstürzen.
    Aber er konnte sich irgendwo festhalten, auf Händen und Knien hockte er da und sah sich nach mir um wie eine große, unheimliche Spinne. Ich sprang ebenfalls auf das Vordach und zog meinen Sax. Er verzog geringschätzig den Mund, stand auf und ging zum Rand des Daches. Dort blieb er stehen, sah in beide Richtungen und sprang, den Sax zwischen den Zähnen.
    Er musste im Hof der Gerberei gelandet sein, und hoffentlich mit dem Kopf zuerst in einem Fass mit Pisse. Ich lief ebenfalls an den Rand des Daches – doch er war verschwunden. Dann sah ich ein Seil, das schräg zwischen zwei Gebäuden gespannt war. Ich holte tief Luft und tat in meinem jugendlichen Leichtsinn etwas sehr Dummes, einfach weil ich wild entschlossen war, dieses Miststück nicht entwischen zu lassen.
    Ich nahm den Sax zwischen die Zähne, sprang und griff nach dem Seil.
    Ich bekam es zu fassen, umklammerte es, schwang – wie er es auch getan haben musste – auf die andere Seite des Hofes, schlug gegen eine viereckige Öffnung, deren Läden halb geschlossen waren.
    Das dünne Holz gab sofort nach,

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