Die Eingeschworenen Raubzug
Einar zur Tür. Illugi Godi merkte wohl, dass etwas geschehen war, wusste aber nicht, was. Höflich blieb er zurück, um Martin zu danken und ihm die üblichen Plattheiten zu sagen, die Martin auch an ihn richtete.
Was mich anbetraf, so sah ich, wie der Mönch einen heimlichen Blick zur Tür warf, an deren Rückseite ein Umhang mit Kapuze hing.
Einar wartete im Hof auf uns. Ein frischer, kalter Wind schlug uns entgegen und ließ mich schlagartig ernüchtern. Der Wind pfiff durch unser Haar und vertrieb die Spinnweben, er fegte über die Pflastersteine und rüttelte an dem kleinen Tor, wo man uns eine Laterne gab und hinausließ. Kein Führer also auf dem Rückweg zum Gästehaus.
»Du hättest dich für die Gastlichkeit bedanken können«, schimpfte Illugi Godi, und Einar, der nur mit halbem Ohr zuhörte, brummte etwas Unbestimmtes als Antwort.
»Er bezahlt mit Silber, in einer Stadt, wo Silber so knapp
ist wie Hühnerzähne. Er wollte nicht handeln und wollte nicht mal ein Kerbholz sehen. Er will uns loswerden, dieser Brondolf Lambisson, aber er wollte diese heikle Angelegenheit dem Mönch überlassen. Denn was konnte so dringend für ihn sein, dass er nicht selbst kommen konnte?« Plötzlich wandte er sich an mich. »Was hast du gesehen?«, fragte er mich.
Ich wusste sofort, was er meinte. Es war ein merkwürdiges Gefühl, ich fühlte mich wie eine junge Möwe, die auf einer Klippe sitzt und auf den richtigen Windstoß wartet, um sich mit ihren ungeübten Flügeln in die Luft zu wagen.
»Er hat gelogen«, sagte ich, und ich war mir so sicher, wie ich es nur sein konnte. »Brondolf ist woanders, wie du sagst. Und da er so ein wichtiger Mann ist, muss es um jemand gehen, der noch wichtiger ist. Und ich denke, da es hier niemanden gibt, der noch wichtiger ist als er selbst, muss es ein Fremder sein, mindestens irgendein Oberhaupt … Und der Mönch konnte es kaum erwarten, dass wir gehen, denn auch er hat etwas vor.«
Ich erzählte ihm von dem Umhang, der an der Tür hing. Illugi sah mich mit großen Augen an und Einar blieb stehen, sodass wir ihn beinahe umgerannt hätten. Grimmig lächelnd sah er mich an. Ich wünschte mir, er würde das nicht immer machen, denn dieses Lächeln war schlimmer als gar kein Lächeln.
»Die meisten Menschen denken nur in eine Richtung«, sagte er, kaum hörbar beim Lärm der Stadt und dem Wind. »Sie sehen nur das, was sie selbst tun, wie ein einzelner Faden auf dem Webstuhl der Nornen, und Knoten entstehen nur da, wo ihr Leben das Leben anderer berührt. Ihr ganzes Leben lang sehen sie mit einem Paar
Augen und hören mit einem Paar Ohren.« Er sah mich an. »Aber eine Sache mit den Augen eines anderen anzusehen, das ist selten, das kann man nicht lernen. Wer diese Gabe besitzt, für den gibt es keine Rätsel. Man muss sie besitzen, wenn man überleben und es weiter bringen will als andere. Wie es scheint, hast du diese Gabe.«
Ich war sprachlos und gleichzeitig überwältigt. In diesem Moment liebte ich diesen großen, herrlichen Menschen beinahe, der Einar der Schwarze hieß, und dennoch verdankte ich genau dieser Gabe, für die er mich lobte, einen Gedanken, messerscharf und immer gegenwärtig: Dieser Mann hat Gudleifs Kopf abgeschlagen, und aus keinem anderen Grund als dem, dass er es durfte.
Wir stapften zurück zum Nordtor und waren schon fast draußen, als wir im Dunkeln eine Gestalt sahen, der mehrere andere folgten. Ich sah Gunnar Raudi, Ketil Krähe, Großnase, Storchenbein und noch andere, mit weit aufgerissenen Augen, zerzaustem Haar und – stocknüchtern.
Gunnar Raudi, dessen ernstes Gesicht im schaukelnden Licht der Laterne noch ernster wirkte, sah Einar an und sagte: »Ulf-Agar ist verschwunden. Steinthor sagt, er wurde entführt.«
KAPİTEL 4
»Sie waren bewaffnet«, knurrte Steinthor. »Bewaffnete in der Stadt, Einar.« Er hielt ihm seinen Unterarm hin, der mit einem groben Tuch umwickelt war, dessen Zipfel im Wind flatterten. Es war voller Blut. Einar, ich, Illugi und die anderen standen mit ernsten Gesichtern um ihn herum.
»Wer war es?«, fragte Einar.
Steinthor zuckte mit den Schultern. Sein rechtes Auge war angeschwollen und blau verfärbt. »Sechs Mann, vielleicht sieben«, sagte er. »Wir kamen aus dem Bierhaus am Hafen, und sie kamen hinter uns her. Ulf-Agar und ich hielten sie für Dänen, und es war klar, dass sie Streit wollten, denn wir hatten uns friedlich verhalten.«
»Nichts wie hin«, fauchte Skapti Halbtroll. »Egal, ob mit oder ohne
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