Die Eingeschworenen Raubzug
Ulf-Agar ja nicht einmal.
Aber natürlich war mir doch der wirkliche Grund klar. Ich hatte einen Schwur getan, und wenn ich an Ulf-Agars Stelle wäre, würde ich mich auch an den Gedanken klammern, dass jemand kommen und mich hier herausholen würde.
Es war so dunkel, dass ich die Hand vor mir ausstrecken musste, in der Rechten hielt ich das Messer, und so tastete ich mich langsam Schritt für Schritt voran. Ich fühlte Balken, dann einen Holzfußboden, dann spürte ich ein paar Regentropfen auf dem Gesicht und als ich aufblickte, sah ich durch das schadhafte Dach Sterne und vorüberziehende Wolken.
Überall lag Abfall herum, immer neue Fußangeln, auf die man nicht vorbereitet war. Ich ging zwei Schritte und wäre beinahe auf den Arsch gefallen, als mein Fuß von etwas Rundem abrutschte, vermutlich der Griff eines Ruders. Ich gab es auf, stattdessen hockte ich mich hin und arbeitete mich voran, indem ich auf dem Boden entlangrutschte, ständig darauf gefasst, dass sich jemand in der Dunkelheit auf mich stürzen würde.
Der Schweiß lief mir in die Augen und ich hätte schwören können, dass ich sie sah, wie sie da vorn auf mich warteten. Ich wagte kaum zu atmen.
Ich störte ein Nest mit Mäusen auf, trieb eine ganze Kolonie Schaben auseinander, die über meinen Arm liefen und fast mein Gesicht erreichten. Ich schnappte nach
Luft und schlug vor lauter Schreck nach ihnen. Dann wurde ich etwas ruhiger, denn wenn in dem Raum dort bewaffnete Männer waren, dann mussten sie entweder taub oder tot sein.
Ich kroch auf eine reglose Gestalt zu, wobei ich darauf achtgab, dass das schwache Licht ihre Silhouette umriss und nicht meine. Dann merkte ich, was es war, und hätte vor Erleichterung am liebsten laut gejubelt. Ein Bug. Ein von den Göttern verfluchter, elender alter Schiffsbug.
Ich wischte mir über das Gesicht und versuchte, ruhiger zu atmen, als mir plötzlich klar wurde, dass das Licht, das ich bislang gesehen hatte, vom Fußboden her kam. Ich fand eine Falltür und spähte durch ein Astloch – es war ein Keller.
Die Klappe ließ sich ohne Probleme hochziehen und gab eine Holztreppe frei. Ich legte mich hin, reckte den Hals, so weit ich nur konnte. Ich sah nur einen Gang, beleuchtet von einer Laterne, die auf halbem Weg oben in einer Nische stand. Lautlos betrat ich den Gang. Es roch nach alten Fellen und verfaulten Essensvorräten. Ich schlich vorwärts und hatte schon fast die Laterne erreicht, als es vor mir metallisch aufblitzte, ganz kurz nur, weiter sah ich nichts. Ich blieb stehen, duckte mich und wartete. Es war verschwunden. Ich bewegte meinen Kopf – wieder blitzte Metall auf. Ich sah näher hin: eine kleine Glocke, eine von mehreren, an schwarzem Pferdehaar befestigt, das etwa in Knöchelhöhe über den Boden gespannt war.
Ich setzte mich hin und atmete auf. Ich dachte nach, suchte, überlegte. Ich sah eine zweite Glocke, in Schulterhöhe eines Erwachsenen. Geduckt und steif vor Angst zwängte ich mich um beide herum und kroch weiter den
Gang entlang, bis er an einer kahlen Wand endete. Hier waren links und rechts je eine Tür.
Ich überlegte. Die linke Tür war geschlossen, die rechte nur angelehnt. Ich horchte an der geschlossenen Tür und behielt die andere im Auge. Hinter der geschlossenen Tür hörte ich Schnarchen. Aus der anderen drang keinerlei Geräusch. Aber Licht – und Wärme.
Ich drückte vorsichtig dagegen und sie öffnete sich, wobei sie sich in einer tiefen Rille bewegte, die sie im Laufe der Zeit in den Stampfboden gegraben hatte. Der Raum war schwach beleuchtet und von einem penetranten Geruchsgemisch aus Rauch, Schweiß und Blut erfüllt. Das Feuer brannte in einem eisernen Becken, wie Schmiede sie für ihre Holzkohlefeuer hatten, in der Glut steckten Werkzeuge mit Holzgriff. Davor sah ich den Umriss eines Mannes, muskulös und nackt bis zur Hüfte, mit Schweiß bedeckt, der im Schein der rot glühenden Kohlen glänzte.
Dahinter, zwischen zwei Balken, hing Ulf-Agar. Er war nackt und erschien im Licht blutrot. Er war an seinen Daumen aufgehängt und seine Füße erreichten nur knapp den Boden, sein Kopf pendelte hin und her und das wirre Haar hing ihm übers Gesicht. Auf seiner weißen Haut waren dunkle Flecke und über seine Brust lief ein dünnes schwarzes Rinnsal.
Ich machte zwei Schritte vor und der Mann hörte mich und drehte sich träge um. Er hatte jemand anderes erwartet. Ich ließ ihn mein kleines Messer spüren, wollte eigentlich seinen Hals treffen, traf aber
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