Die Einheit: Thriller (Tokio Killer) (German Edition)
Überwachungskameras gefunden, weil sie nicht wussten, dass Treven es dem Mann einfach verraten hatte. Aber die Satelliten und Überwachungskameras waren ja Realität. Und sicher, Hort hatte seine große Ansprache gehalten, war zurückgetreten und hatte damit seine offiziellen Befugnisse verloren. Doch er besaß immer noch Freunde in hohen und weniger hohen Positionen. Hort selbst hatte Treven
Hsün-Tzu
gelehrt:
Wenn du stark bist, täusche Schwäche vor. Wenn du schwach bist, täusche Stärke vor.
Gestern Nacht im Wagen hatte Hort zweifellos Schwäche gezeigt und je länger Treven darüber nachdachte, desto ruheloser wurde er.
Dox machte ihn nervös. Der riesige Scharfschütze saß mit dem Rücken ans Kopfbrett gelehnt und hatte die Beine auf dem Bett ausgestreckt. Seine Augen waren geschlossen und er hielt die Wilson Combat im Schoß, eine Szene wie ein schlafendes Kleinkind mit Waffe statt Lieblingsteddy. Dox war mindestens ebenso geduldig wie Treven sonst und verbrachte die Wartezeit in stoischer Reglosigkeit. Natürlich lag das nahe – ein armseliger Scharfschütze, der nicht auf sein Ziel warten konnte – und normalerweise hätte Treven diese Eigenschaft bewundert und vielleicht sogar beruhigend gefunden. Aber jetzt drängte sich ihm das Gefühl auf, dass die Quelle von Dox’ Gelassenheit ein geheimes Wissen war, das Treven fehlte.
Immer noch mit geschlossenen Augen fragte Dox: »Was liegt Ihnen auf der Seele, mein Sohn?«
Herrgott, konnte der Kerl auch noch Gedanken lesen? »Was meinen Sie?«
Dox schlug die Augen auf. »Na ja, entweder wollen Sie den Teppich unserer Luxussuite hier niedermachen oder sie haben Hummeln im Arsch.«
»Hat nichts zu bedeuten. Ich mag nur das Warten nicht.«
»Ich dachte, ihr ISA-Hengste hättet die Geduld eines Felsens. Wollen Sie mich eines Besseren belehren?«
Treven lachte leise. »Es ist nichts.«
»Schon gut. Ich habe selbst Hummeln im Hintern.«
Treven sah ihn an. Gelassen ans Kopfbrett gelehnt wirkte er ungefähr so ruhelos wie eine Statue.
»So benehmen Sie sich also, wenn Sie Hummeln im Hintern haben?«
Dox grinste. »Oh ja. Mein Blutdruck ist in ungeahnten Höhen. Wenn ich entspannt bin, bin ich praktisch unsichtbar.«
Treven war nicht ganz sicher, ob er scherzte oder es ernst meinte. »Also schön, was macht Ihnen Sorgen?«
»Ihr Freund, um ehrlich zu sein.«
»Larison?«
Dox nickte und wandte sich zu Kei, die jetzt, obwohl sie nichts gesagt hatte, ihrem Gespräch plötzlich mit Interesse zu folgen schien.
»Süße«, sagte er, »hätten Sie etwas dagegen, die Kopfhörer für ein paar Minuten aufzusetzen? Nichts Besonderes, nur lästige OpSec, wie wir harten Burschen die operative Sicherheit nennen.«
»Ich habe nichts dagegen, zuzuhören«, sagte Kei.
Dox lächelte ein wenig traurig. »Das weiß ich. Würden Sie mir trotzdem vertrauen?«
Erstaunlicherweise nickte Kei, als vertraute sie ihm tatsächlich. Treven stellte fest, dass Dox einfach eine unnachahmliche Art hatte, mit Menschen umzugehen. Die Kinder im Minivan im Capital Hilton hatten ihm nach fünf Minuten praktisch aus der Hand gefressen. Und jetzt schaffte er es anscheinend, dass die Frau, die zu entführen er geholfen hatte, glaubte, er habe nur ihr Bestes im Sinn. Treven wünschte, er würde den Trick kennen. Er hätte ihn gerne selbst angewandt.
Dox stand auf und legte Kei die Kopfhörer an, dann kam er zu Treven. »Lassen Sie mich Ihnen eine Frage stellen«, sagte er leise. »Wie gut kennen Sie diesen
Hombre
?«
Treven fragte sich, worauf er hinaus wollte. »Nicht besonders. Ich habe ihn für Hort in Costa Rica aufgespürt und dann landeten wir gemeinsam in dieser beschissenen Operation.«
»Dann kennen Sie ihn eigentlich gar nicht?«
»Warum fragen Sie?«
»Ich bin mir über ihn nicht im Klaren. Normalerweise kann ich Menschen gut einschätzen, aber bei Larison habe ich das Gefühl, nur auf leere Seiten zu stoßen. Oder es ist zu dunkel, um sie zu lesen.«
»Ja, ich weiß, was Sie meinen.«
»Was, glauben Sie, denkt er jetzt?«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich meine, versetzen Sie sich an seine Stelle. Sie haben gerade herausgefunden, dass die Diamanten echt sind und Hort nur noch Zivilist ist, und ob ein paar Schulkinder ermordet werden, ist Ihnen scheißegal. Was würden Sie unter diesen Umständen tun?«
Treven antwortete nicht. Er hatte sich halb unbewusst mit derselben Frage herumgeschlagen.
Dox wartete, dann sagte er: »Nehmen Sie einfach Ihren Anteil an den Diamanten
Weitere Kostenlose Bücher