Die Einheit: Thriller (Tokio Killer) (German Edition)
und hauen ab?«
»Ich weiß nicht.«
»Da würden Sie nämlich einen Haufen lose Fäden zurücklassen.«
»So kann man es auch sehen.«
»Und das ist nur die eiskalte Berechnung eines unbarmherzigen Agenten, die ich hier gerade anstelle. Es könnte noch schlimmer sein.«
»Inwiefern?«
»Glauben Sie, dass Larison … Geheimnisse hat?«
Plötzlich und nachdrücklich begriff Treven, wie sehr er sich die ganze Zeit in Dox getäuscht hatte, als er ihn für ein wenig beschränkt hielt. Und ebenso blitzartig wurde ihm klar, dass er ihn gefährlich unterschätzt hatte. Er fragte sich, wie viele Leute schon zu dieser Erkenntnis gelangt waren, unmittelbar bevor Dox ihnen das Lebenslicht ein für allemal ausblies. Vermutlich durfte er sich glücklich schätzen, die Lektion kostenlos bekommen zu haben.
»Geheimnisse?«, fragte er und hoffte, seine Miene würde nichts verraten.
Dox sah ihn an und der Hillbilly war vollständig verschwunden und durch etwas ersetzt worden, das einem menschlichen Lügendetektor ähnelte. »Geheimnisse«, wiederholte Dox. »Denn wenn ja, und er hätte Grund zu der Annahme oder auch nur dem Verdacht, dass wir diese Geheimnisse kennen, mache ich mir ein wenig Sorgen, zu welchen Schlussfolgerungen er gelangen könnte.«
Treven antwortete nicht. Dox hatte recht, aber er war sich nicht ganz klar, wohin es führen würde, wenn er ihm zustimmte.
»Ich denke, Sie wissen, was ich meine«, sagte Dox. »Und darum schweigen Sie. Glauben Sie, dass ich mich irre?«
Treven schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Gut, mit Larison kommen wir zurecht. So oder so. Aber ich will mir gar nicht erst vorstellen, was er diesem Mädchen hier antun könnte. Wenn die Diamanten echt sind, brauchen wir sie nicht mehr. Und sie hat schon genug durchgemacht. Ich sage, wir lassen sie laufen. Was meine Sie?«
»Einfach laufen lassen?«
Dox nickte. »Und zwar jetzt. Bevor unser Engel des Todes zurückkommt und anfängt, irgendwelche Beschlüsse umzusetzen, die er während seiner Abwesenheit gefasst hat.«
Treven dachte nach. Er wollte genauso wenig wie Dox für den Tod des Mädchens verantwortlich sein. Aber es war gefährlich,so zu handeln, ohne auch nur den Versuch zu machen, vorher zu einem Konsens zu gelangen.
»Hören Sie«, sagte er, »selbst wenn ich Ihrer Meinung wäre, und ich sage nicht, dass ich das bin, können wir sie nicht einfach hier rausspazieren lassen. Rain und Larison sind noch nicht zurück und wir müssen davon ausgehen, dass sie direkt zur Polizei geht.«
»Sie weiß nicht einmal, wo sie ist«, sagte Dox. »Ich könnte sie mit verbundenen Augen wegbringen, irgendwo absetzten und das war’s.«
»Sind Sie sicher, dass sie nicht zurückfinden würde? Es gibt Geräusche, Gerüche … vielleicht haben wir etwas übersehen, das dieses Zimmer identifizieren könnte. Oder sie hat ein Gefühl für die Richtungsänderungen und Entfernungen, die Sie zurücklegen. Sie ist intelligent. Das weiß ich genauso gut wie Sie.«
»Also gut, was würden Sie dann sagen, wenn ich mit ihr irgendwohin fahre und dort auf Ihren Anruf warte? Dann könnte ich sie freilassen und wir hätten alle reichlich Zeit, zu verduften.«
»Und wenn die Diamanten nicht echt sind? Das wissen wir noch nicht.«
»Und wenn schon. Sehen Sie sie doch an. Wollen Sie ihr eine Kugel in den Kopf jagen? Oder zusehen, wie Larison es tut?«
Treven schwieg.
»Natürlich wollen Sie das nicht«, sagte Dox. »und Sie sollten stolz und erleichtert sein, dass Sie dazu nicht in der Lage sind – dass Ihre Eltern niemanden großgezogen haben, der zu so etwas fähig wäre. Ich finde, die Sache hat jetzt lange genug gedauert. Wenn Horton unseren Bluff durchschaut hat, sei’s drum. Wir haben Besseres zu tun, zum Beispiel eine Bande von skrupellosen Fanatikern davon abzuhalten, einen Haufen Schulkinder im Namen eines höheren Ziels zu massakrieren.«
Die Anspielung auf seine Eltern, die beide schon lange tot waren, traf Treven hart. Einen Moment lang fragte er sich, obDox absichtlich die nicht praktikable Idee geäußert hatte, Kei sofort gehen zu lassen, weil er genau wusste, dass Treven dann Einwände praktischer Natur erheben und sich so auf diskussionsfähiges Gebiet begeben würde. Er begriff, dass Dox nur auf den richtigen Augenblick für dieses Gespräch gewartet hatte. Wahrscheinlich hatte er gehofft, Treven würde ihm ein Stichwort liefern, und als ihm langsam die Zeit ausging, hatte er selbst den Anfang gemacht. Treven schalt sich einen Narren,
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