Die Einheit: Thriller (Tokio Killer) (German Edition)
»Was glaubst du denn?«
»Was hat dich genau daran gestört, dass sie in der Branche geblieben ist, als du aussteigen wolltest? Ich bin auch noch dabei und mich scheinst du zu tolerieren.«
»Mit dir lebe ich nicht zusammen.«
»Ist das wirklich der entscheidende Unterschied?«
»Ja, ist es … Da drüben in Paris habe ich versucht, zu lernen … wie man sich entspannt. Verstehst du? Neue Stadt, niemand kennt mich, niemand sucht mich. Ich wollte einfach mal einen Gang herunterschalten, mich nicht ständig so fühlen, als müsste ich über die Schulter schauen. Aber wie soll ich das jemals schaffen, wenn ich mit jemandem zusammen bin, dessen Job uns jederzeit wieder in die ganze Scheiße hineinreiten könnte? Einmal war es ja schon soweit.«
Er runzelte die Stirn. »Jemand hat euch in Paris umzunieten versucht?«
Ich dachte daran zurück und nickte. »Paris ist zum Abgewöhnen.«
Er senkte gravitätisch den Kopf und sah mich an. »Das musst du mir bei Gelegenheit mal erzählen. Aber, Partner, du und entspannen? Das möchte ich sehen. Los, zeig’s mir, nur eine Minute lang. Lass uns erst eine Wette drauf abschließen. Ich könnte das Geld gebrauchen.«
Ich gab keine Antwort. Ich konnte es nicht ausstehen, wenn er diese psychologische Scheiße mit mir abzog. Noch mehr hasste ich es, wenn an seinen Beobachtungen etwas dran war.
»Wie dem auch sei«, fuhr er fort, »hier sitzt du und steckst wieder mitten drin, bloß ohne Delilah. Und trotz meiner anregenden Gesellschaft ist das ein schlechter Tausch, wenn du meine Meinung hören willst. Das willst du nicht, ich weiß, aber ich sag sie dir trotzdem.«
»Ich stecke nicht ›wieder mitten drin‹. Jemand hat mich aufgespürt. Ich versuche, die Sache zu bereinigen. Es ist nicht so, dass ich eine große Wahl hätte.«
Ich erwartete, dass er meine Proteste mit einem Lachen abtun würde, was typisch für ihn gewesen wäre. Aber er tat es nicht und das ärgerte mich noch mehr.
»Was denn?«, fragte ich.
Er zog in gespielter Unschuld die Augenbrauen hoch. »Ich sag doch gar nichts.«
»Ich weiß. Das sieht dir gar nicht ähnlich. Sag schon, spuck es aus.«
Er lehnte sich zurück und kratzte sich am Bauch. »Es ist bloß … Vielleicht hast du dich mehr an dem gestört, was Delilah in ihrem Job tun muss, als an dem Job selbst.«
Ich antwortete nicht. Delilah erledigte eine Menge Aufträge für den Mossad. Aber ganz oben auf der Liste standen langfristige »Sexfallen«-Operationen mit hochrangigen Zielpersonen. Sie war naturblond und sah glänzend aus, war intelligent, selbstbewusst und kultiviert und sie verstand es, das alles einzusetzen. Ich bezweifelte, dass der Mossad je eine erfolgreichere Agentin als sie auf der Lohnliste gehabt hatte, nicht, dass er das zu schätzen gewusst hätte. Im Gegenteil, sie erzählte mir, dass die Art der Missionen, auf die sie geschickt wurde – buchstäblich mit dem Feind zu schlafen –, sie in den Augen ihrer Auftraggeber irgendwie anrüchig, wenn nicht sogar verdächtig machte. Was mit der Grund war, warum es mich so wütend machte, dass sie nicht ausstieg. Was schuldete sie ihnen? Warum war sie so loyal? Sie hatten sie nicht verdient.
»Willst du mir erzählen, es hätte dich nie gestört, dass sie monatelang weg war, ohne dir sagen zu dürfen, wo oder mit wem? Willst du mir erzählen, dass du nie mitten in der Nacht in eurem großen Bett aufgewacht bist und dich gefragt hast, ob sie vielleicht im selben Moment mit jemandem rumsoßt und …«
»Rumsoßt?«
»Ja, das bedeutet …«
»Vergiss es, ich kann’s mir denken.«
»Schon gut, es heißt nur …«
»Ich habe verstanden, was du meinst.«
Er grinste. »Dann habe ich mich nicht zu verquast ausgedrückt?«
»Nein, überhaupt nicht.«
Das Grinsen des alten Scheißefressers wurde breiter, aber es lag auch ein wenig Mitgefühl darin. Ich hätte mich weiter mit ihm streiten können, aber was hätte das gebracht? Sollte er doch denken, was er wollte, ebenso wie Kanezaki.
Im Moment zählte nur, dass er bewaffnet war – mit einer Wilson Combat Supergrade Compact. Ich hatte ihn gefragt, wie er es geschafft hatte, so kurz nach seiner Ankunft aus Bali eine aufzutreiben, aber er hatte nur gelächelt und gemeint: »Das gute alte Hinterwäldler-Netzwerk.« Es war beruhigend, zu wissen, dass er mir hier im Beverly Wilshire den Rücken deckte, während dezente Musik von der hohen Decke plätscherte und gepflegte Gespräche die Kulisse für das Klimpern von edlem Silberbesteck
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