Die Einheit: Thriller (Tokio Killer) (German Edition)
würden, den ich brauchte.
Neben der Treppe bemerkte ich auf dem Mosaikfußboden ein Sortiment Malerzubehör – eine Abdeckplane, mehrere Kanister, eine Leiter, Overalls – und tatsächlich roch es im Treppenhaus nach frischer Ölfarbe. Da nichts davon sich zu stehlen lohnte, hatten die Arbeiter die Sachen bei Feierabend wohl einfach liegen lassen. Ich ging hin, um mir das Zeug näher anzusehen und entdeckte eine Rolle Plastikfolie, mit der die Maler den Mosaikboden wohl vor Farbspritzern schützten. Ich zog meine Hirschlederhandschuhe an, kniete mich hin und rollte etwa dreißig Zentimeter der Folie ab. Sie war fest und schwer – ungefähr 0,1 Millimeter dick, schätzte ich, vielleicht sogar mehr – abertrotzdem flexibel. Ich packte eine Ecke und versuchte vergeblich, meinen Daumen hindurchzudrücken. Ich trommelte mit den Fingern auf die Rolle und sah mich um. Eine Idee begann, sich in meinem Kopf zu formen.
Auf der Plane neben den Farbeimern lag ein Teppichmesser. Ich schnitt damit einen Meter der Plastikfolie ab und legte sie auf den Boden neben die anderen Utensilien, bevor ich Rolle und Teppichmesser wieder so arrangierte, wie ich sie vorgefunden hatte. Ich ging nach draußen, rief Larison an und sagte ihm, was er zu tun hatte. Dann wählte ich Dox’ Nummer, der sich mit Treven noch in der Nähe des Restaurants aufhielt und bestätigte, dass Finch und seine Schwester beim Essen waren.
»Gut«, sagte ich. »Ich möchte, dass du ihnen reichlich Spielraum lässt. Ich muss nur wissen, ob sie sich zusammen auf den Weg zum Hotel machen oder sich vorher verabschieden, und den Zeitpunkt, wenn unser Freund noch eine Minute vom Hotel entfernt ist.«
»Bist du sicher, dass er ins Hotel zurückgeht? Es ist eine hübsche Stadt, das Wetter ist schön und vielleicht will er noch das Nachtleben genießen.«
Ich dachte an Finch, dessen Akte einen kahl werdenden, farblosen Bürokraten um die fünfzig zeigte – tatsächlich vom Erscheinungsbild her gar nicht so verschieden von J. Edgar Hoover, mit dem Horton ihn verglichen hatte. »Du glaubst, unser Kunde zieht durch die Clubs?«, fragte ich.
Eine Pause entstand. »Na ja, vielleicht nicht durch die Clubs. Aber in einigen Stadtteilen kann ein Gentleman von entsprechender Neigung Frauen eines gewissen Berufsstandes finden. Wenn wir heute Abend rechtzeitig fertig sind, beabsichtige ich selbst, ein solches Viertel aufzusuchen.«
»Ich denke, du bringst deine eigenen Vorlieben mit denen unseres Freundes durcheinander.«
»Ich weiß nicht, ob ›Vorlieben‹ das Wort ist, das ich wählenwürde, aber gut, ich denke, ich weiß, worauf du hinaus willst.«
»Sieh mal, wenn er noch ausgehen sollte, folgst du ihm einfach. Je später er ins Hotel zurückkommt, desto besser sogar. Ich brauche nur die einminütige Vorwarnung.«
Ich legte auf, dann rief ich Treven an und sagte ihm, er solle sich mit Dox absprechen, um das Restaurant und die Route zum Hotel zu überwachen. Ich hoffte, dass wir den Job noch heute Nacht erledigen konnten. Wenn nicht, mussten wir bis zum Morgen warten und den Hoteleingang die ganze Nacht beobachten. Aber jede Minute, die man so dicht bei einer Zielperson zubringt, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass einen selbst jemand auf’s Korn nimmt.
Kapitel
Fünfzehn
Eine Stunde später schlenderten Larison und ich durch die engen Straßen in der Umgebung des Hotels, nachdem jeder von uns für sich das Gebiet so gründlich ausgekundschaftet hatte, wie es in der knappen Zeit möglich war. Wir verglichen unsere Notizen über Zugangsund Ausgangspunkte, vermerkten die Positionen von Geldautomaten, die mit Überwachungskameras ausgestattet sein würden, und einigten uns auf die grundsätzliche Vorgehensweise. Alles, was wir jetzt noch tun konnten, war warten.
»Warum nach Washington fliegen?«, fragte Larison irgendwann. »Vergessen Sie’s. Erledigen Sie Hort, bevor er Sie erledigt.«
Horton hatte mir mitgeteilt, dass der dritte Auftrag in Washington stattfinden sollte. Geplant war, dass wir vier uns nach der Sache in Wien dort trafen, um neue Instruktionen zu empfangen.
»Wie denn?«, fragte ich. »Einen JSOC-Oberst? Der genau weiß, dass Sie nichts lieber täten, als ihn auszuschalten und sich die Diamanten zurückzuholen? Haben Sie einen Plan?«
Er sah mich an. »Ich weiß, wie man an ihn herankommt. An ihn persönlich.«
»Wie?«, wiederholte ich neugierig.
Er schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt. Wenn Sie bereit sind.Wenn Sie mir in die Augen sehen und
Weitere Kostenlose Bücher