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Die Einöder

Die Einöder

Titel: Die Einöder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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Atmosphäre über dem Tal des Schwarzen Regen. Unvermittelt war die dünne, auf einmal heftig sausende und saugende Luft von fast elektrisierendem Sirren und Flirren erfüllt, und jäh fiel den Männern das Atmen noch schwerer als zuvor. Auch die Frau, die drinnen in der Küchenstube auf das zerschlissene Kanapee gesunken war, keuchte qualvoll; schuld daran waren der von der Windhose verursachte extreme Sauerstoffmangel sowie die im Zusammenhang damit urplötzlich erfolgte Ionisierung der Luftschicht über dem Flußtal.
    Und jetzt, kaum daß der Einöder und sein Begleiter in die Küche getaumelt waren, verstärkte sich der grauenhafte Aufruhr der Elemente noch. Schlagartig brach pechschwarze Dunkelheit herein; nichts, gar nichts mehr von der Außenwelt war draußen vor den Fenstern zu erkennen. Widernatürliche Nacht, die allen einstmals gültigen Naturgesetzen zu spotten schien, hatte das Regental von einer Minute auf die andere in ihre blasphemischen Schleier gehüllt; zusätzlich drang aus dieser abgrundtiefen Finsternis nun Schwefeldunst ins Haus und trieb die Pein der drei Menschen in der Küchenstube ins beinahe Unerträgliche. Von stechenden Schmerzen in Bronchien und Lungen geplagt, rangen die Frau und die beiden Männer nach Luft; ihre Kehlen verkrampften sich unter Anfällen von Brechreiz – und dann war es dem Einödbauern, als klänge das Röcheln seines Weibes auf der Liegestatt bereits nach einsetzendem Todeskampf.
    Unter Aufbietung seiner letzten Kräfte machte der Alte zwei, drei wankende Schritte in Richtung des Kanapees; mit einer fahrigen, eher instinktiven als bewußten Bewegung versuchte er, den Fremden mit sich zu ziehen. Aber der Wanderer riß sich los, stieß mit erstickter Stimme hervor: „Warte!“ – und schleppte sich zu seinem Karren, der nach wie vor in der Nähe des Kochherdes stand.
    Im nächsten Moment glühte ein flackernder Lichtpunkt in der Dunkelheit auf: das Flämmchen eines Feuerzeugs. Wiederum einen Augenblick später wurde der Raum notdürftig vom Licht einer Kerosinlampe erhellt, welche der Fremde aus einem Kasten an der Rückseite seines Wägelchens genommen und entzündet hatte. Jetzt stellte der Wanderer die blakende Lampe auf den Eßtisch, so daß die Küchenstube noch etwas besser ausgeleuchtet wurde. Dann drehte sich der Fremde erneut zu seinem Karren um und machte sich an dem bombenförmigen Stahlobjekt zu schaffen. Der Einöder, welcher mittlerweile vor der Liegestatt kniete und sein keuchendes Weib in den Armen hielt, glaubte Glaskugeln gegen Metall klirren zu hören; gleich darauf vernahm er einen gepreßten Ausruf des Wanderers: „Der Geist Gottes… wird erscheinen!“
    Mühsam wandte der auf den Bodendielen kauernde Alte den Kopf; kaum hatte er den Fremden ins Auge gefaßt, drang ein seltsames Geräusch an sein Ohr: ein zunächst leises, dann satter werdendes Zischen. Es kam vom Wägelchen des Wanderers her, hielt nun seinen kräftig rauschenden Ton – und während der Einödbauer noch rätselte, was dort drüben beim Karren des Fremden geschah, spürte er plötzlich, wie ihm das Atmen leichter fiel; wie belebende Kraft in seine Bronchien und Lungen strömte.
    Auch die Frau auf dem Kanapee überwand jetzt ihre fast agonische Schwäche; ihr Röcheln verwandelte sich in heftiges Luftholen, das ihren Gemahl veranlaßte, sie aus seiner Umarmung freizugeben und statt dessen nach ihren Händen zu tasten und sie fest zu drücken. Danach richtete sich der Einöder befreit auf; in derselben Sekunde wurde der Lichtschein der Kerosinlampe intensiver, und in der wachsenden Helligkeit erblickte der Alte den Wanderer deutlicher als zuvor.
    Der Einödbauer sah, daß sich der gebückt neben seinem Wägelchen stehende Fremde die rätselhafte, sonst am einen Ende des stählernen Gebildes hängende Maske über den Kopf gezogen hatte. Die Gesichtsmaske ähnelte einem Schweinerüssel mit sich nach unten verjüngendem Auswuchs, der bis zur Spitze des bombenförmigen Objekts reichte – und nun begriff der Einöder auch, woher das Zischen kam: Aus dem Stahlkörper, welcher durch einen Schlauch mit der Maske verbunden war, rauschte offenbar Gas.
    Jetzt nahm der Wanderer, wie vorher schon einige Male, die Gesichtsmaske ab und drehte ihre Innenseite dorthin, wo sich die beiden Alten befanden. Sofort spürten der Einödbauer und sein Weib neuerlich den ungemein wohltuenden Hauch, der sie zuvor bereits von ihrer beklemmenden Atemnot erlöst hatte. Die Frau, die eben noch gelegen

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