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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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Musik herauszuhören. Vielleicht war er zufälligerweise gerade an dem Abend hereingeraten, an dem die örtliche Heavy-Metal-Band übte. Das würde auch erklären, weshalb er der einzige Gast war.
    »Mittwochabend ist nie viel los«, sagte der Wirt, als könnte er seine Gedanken lesen. Er ließ das Handtuch sinken und lächelte Cooper an. Dabei wurden die Amalgamfüllungen rechts und links in seinem Unterkiefer sichtbar, schwarz verfärbt vom Alter.
    »Was ist da oben eigentlich los?«, erkundigte sich Cooper.
    »Bingo-Abend unserer Senioren. Die können manchmal ganz schön rabiat werden. Manche verwechseln ihre Gehhilfen wohl mit Schlagstöcken.«
    »Aha.«
    »Aber normalerweise gibt es keine Verletzten. Ich melde mich bei Ihnen, wenn ich Hilfe brauche, um sie an die Luft zu setzen.«
    Der Wirt rückte ein wenig zur Seite und schniefte, als wollte er den Tatbestand untermauern, dass er dringend ein großes Taschentuch benötigte. Wenn nicht, würde er nicht umhin können, etwas Unappetitliches zu tun. Cooper lauschte einer Weile der Musik und trank hin und wieder aus seinem Glas. Viel mehr konnte er nicht tun, außer sein eigenes verzerrtes Gesicht in den Gläsern zu betrachten, die – mit der Öffnung nach unten – in dem Portionierer hinter der Theke hingen. Es gab nicht einmal eine Musikbox. Auf der anderen Seite, beim Ausschank, sah er eine. Aber der Farbe der Wände nach zu schließen, stank es dort sicher wie in einem Aschenbecher.

    »Kannten Sie einen jungen Mann namens Neil Granger?«, fragte Cooper.
    »Ja, ich habe von ihm gehört. Er ist oft mit den anderen hier gewesen.«
    »Den anderen?«
    »Seine Familie. Freunde. Sie wissen schon.«
    »Haben Sie gehört, dass er getötet wurde?«
    »Ja, das ist furchtbar traurig.«
    »Er war auch am Freitagabend hier, ein paar Stunden vor seinem Tod«, fuhr Cooper fort.
    »Ja, das stimmt.«
    »Ist er Ihnen irgendwie anders vorgekommen?«
    »Nein, ganz und gar nicht. Aber er ist ein bisschen früher gegangen als die anderen.«
    »An dem Abend war Theaterprobe.«
    »Ja«, antwortete der Wirt vorsichtig.
    »Moment mal – ist das heute Abend auch wieder so eine Probe?«
    »Zufälligerweise.«
    »Und wie heißt das?«
    »The Border Rats.«
    »Was ist das denn? Das klingt mir sehr nach Krach.«
    »Die tun auch sehr geheimnisvoll. Niemand darf etwas darüber erfahren, bis sie die Sache aufführen.«
    »So? Und wann ist das?«
    »Am kommenden Wochenende. Am Ersten-Mai-Feiertag.«
    »Ich habe Reverend Alton hereinkommen sehen.«
    »Tatsächlich?«, erwiderte der Wirt überrascht. »Na, so was.«
    »Und den kleinen Jake Oxley.«
    »Ja, der ist sicher bei seinem Vater und seinen Brüdern.«
    »Kann ich mal nach oben und mir das ansehen?«
    »Nein, tut mir Leid. Wie ich schon sagte, es herrscht höchste Geheimhaltung. Sie haben ein Nebenzimmer gemietet, und ich darf da niemanden hinauflassen.«

    »Sie wissen, dass ich Polizeibeamter bin?«
    »Ja, das weiß ich«, antwortete der Gastwirt und machte sich daran, weitere Gläser zu polieren. »Wollen Sie noch was zu trinken?«
    In einer der Flaschen, die in dem Portionierer hingen, erblickte Cooper einen schemenhaften Umriss, der kurz über der Schulter seines Spiegelbildes auftauchte. Er sah aus wie ein Kopf und ein Gesicht, aber er war merkwürdig schwarz und glänzend, und das Einzige, das Cooper deutlich erkennen konnte, waren die Augen. Er wartete und hoffte, dass die Person in sein Blickfeld käme. Doch stattdessen zerfloss der Schatten in der verzerrenden Rundung der Flasche und verschwand. Cooper drehte sich um, aber es war zu spät. Aus der Richtung zu schließen und dem Hintergrund, den er in der Flasche erkennen konnte, vermutete er, dass sich die Person an der Tür befunden hatte, auf der »Toiletten« stand.
    Cooper ging hinüber und betrachtete die Tür, die nach oben führte. Am Türgriff hing ein Schild, und die Tür rührte sich nicht, als er vorsichtig die Klinke hinunterdrückte.
    Cooper schaute auf seine Uhr. In fünf Minuten sollte er bei Fran Oxley sein, und er wagte nicht, zu spät zu kommen. Er konnte nicht riskieren, seine einzige Chance zu verspielen, mit einem der Oxleys zu reden. Schade. Er wäre gern noch ein wenig länger geblieben.
    Er hatte gerade die Hälfte der Strecke zur Waterloo Terrace zurückgelegt, als er das Geräusch hörte. Cooper blieb verwundert stehen und drehte sich zu dem Pub um. Es war das erste Mal, dass er das Schreien gehört hatte.
     
     
    An dem Abend seines Todes hatte Neil

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