Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
Vom Netzwerk:
grusliger als jeder Vampir. Die scheinen direkt aus der Nacht der lebenden Toten zu stammen.«
    »Du schaust dir wohl noch immer die falschen Videos an, Gavin. Versuch es doch mal mit etwas feinfühligeren Themen.«
    »So was liegt mir nicht«, knurrte Gavin und machte sich auf den Weg zu den Renshaws.
    Fry setzte sich und atmete abermals tief durch. Dabei fiel ihr Blick auf die andere Seite des Büros. Gegenüber von Gavin Murfins chaotischem, papierübersätem Schreibtisch befand sich ein zweiter, der einen verlassenen Eindruck machte. Sein Besitzer hatte ihn vor seiner Versetzung zum Rural Crime Team noch vollständig ausgeräumt. Beim Anblick des leeren Schreibtisches stellte Fry sich die Frage, ob es mal so weit kommen würde, dass sie niemanden mehr hätte, an den sie sich wenden könnte, wenn sie mal Hilfe brauchte.

4
    B ei Tageslicht waren Lachmöwen aus den Stauseen im Tal aufgestiegen, um sich über die Verkehrsopfer der vergangenen Nacht herzumachen.
    Auf seiner täglichen Fahrt von der Bridge End Farm nach Edendale hatte DC Ben Cooper sich an den Anblick der zerquetschten und blutigen Überreste der Tiere gewöhnt, die in der Dunkelheit von den Fahrzeugen abgeschlachtet worden waren. Tote Füchse und Dachse, Kaninchen und Fasane, Igel und Hermeline übersäten die Fahrbahn und die Seitenstreifen. Manche der Kadaver sahen noch recht frisch aus, bis sie von der wilden Autohorde in den Teer gedrückt wurden. Dann platzte die Haut auf, die Eingeweide wurden auf der Straße verteilt, und es war nicht mehr möglich, zu sagen, welcher Spezies das Tier angehört hatte.
    Es war eine harte Lektion für die Tiere. Die Straße war nachts Teil ihres Territoriums und lockte sie in Scharen an, da die geteerte Oberfläche die Hitze des Tages länger speicherte als die sie umgebende Landschaft. In der Morgendämmerung verwandelte sich die Straße jedoch in eine gänzlich andere Welt, beherrscht von vorbeidonnernden Ungetümen und dahinrasenden Autos. Die Schlacht ums Territorium war ein höchst ungleicher Kampf, und das Schicksal der Opfer war unausweichlich und stand von vorneherein fest.
    Die Natur fand sich jedoch nie mit einer Niederlage ab. Eine Schlacht mochte sie verlieren, aber nie den Krieg. Die Möwen und die Krähen und Tausende kleinerer Aasfresser sorgten schon dafür, dass die Kadaver nicht nutzlos waren. Coopers
Ansicht nach war es nicht das Schlechteste, wenn man die Natur auf seiner Seite und nicht zum Feind hatte.
    »Da ist es«, sagte Police Constable Udall. »Da unten liegt Withens.«
    Sie reichte Cooper das Fernglas.
    »Keine Postkartenidylle, wie?«, meinte er.
    Udall zuckte die Schultern. »Das ist eben Withens«, entgegnete sie.
    Eine Parkbucht auf einer namenlosen Seitenstraße der A628 hatte sich als ausgezeichneter Aussichtspunkt erwiesen. Laut PC Udall übrigens der einzige Ort, von dem aus man Withens sehen konnte, ohne sich direkt im Dorf zu befinden.
    Um halb sieben Uhr morgens war der Verkehr auf der A628 bereits ziemlich stark, und Lastwagen und PKWs reihten sich aneinander. Doch abgesehen von dem Verkehr, schien es entlang der Strecke durch das Tal von Longdendale meilenweit keine Anzeichen von menschlichem Leben zu geben. In der Nähe der Stelle, wo sie abgebogen waren, hatte sich linker Hand oben auf dem Berg eine Haltebucht mit einer orangeroten Notrufsäule für gestrandete Autofahrer befunden. Aber damit hatte es sich auch schon mit der Zivilisation. Und damit man auch genau wusste, woran man war, stand neben der Straße noch ein Schild, das besagte: »Schafe auf sieben Meilen.«
    Richtung Norden, oberhalb von Withens, konnte Cooper einen der steinernen Luftschächte der alten Eisenbahntunnel erkennen, der auf einer Anhöhe zwischen den Talmulden stand. Rings um den Schacht schien das Withens Moor stark an Erosion zu leiden. Blanker Fels trat an den Stellen hervor, auf denen die letzte Schicht Torf abgetragen worden war. Eis und Regen würden das Gestein noch weiter lockern, so dass es schließlich ins Rutschen kommen und auf die Häuser unten im Tal stürzen oder die Straße verschütten würde, so wie es in Castleton geschehen war.
    »Aber Sie haben Recht, es ist nicht sehr idyllisch«, fügte Udall
hinzu. »Sicher nicht sonderlich geeignet für Fremdenverkehrsbroschüren. Es scheint hier nicht einmal Farben zu geben.«
    Cooper seufzte. Zu Hause auf der Bridge End Farm, im hellen Kalksteinland des White Peak, standen die atemberaubend gelben Stechginsterbüsche bereits in voller

Weitere Kostenlose Bücher