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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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Blüte. Viele Wiesen waren übersät mit weißen Gänseblümchen oder goldenem Löwenzahn, und die trichterförmigen Blätter des wilden Knoblauchs, unter denen blassblau die Blütensterne der Vergissmeinnicht hervorspitzten, überwucherten die Seitenbankette der Straßen.
    Das warme, feuchte Wetter zu Beginn des Frühjahrs hatte zu explosionsartigem Pflanzenwachstum und hektischer Betriebsamkeit in der Tierwelt geführt. Die Landschaft änderte jeden Tag ihr Aussehen. Die Schwalben bauten ihre Nester, der erste Kuckuck schrie. Und genau um diese Zeit breiteten sich Scharen von Sternhyazinthen in den dicht belaubten Wäldern des Eden Valley aus. Die Hyazinthen hatten es eilig. Sie mussten blühen und ihren Samen verstreuen, ehe das Dach der Baumkronen den Waldboden überschattete. Jedes Jahr aufs Neue ein Wettlauf mit der Zeit um Vermehrung und Überleben. Bei diesem Wetter änderte sich auch die Farbe der Blumen – blau, wenn der Himmel bedeckt war, und blasslila, wenn die Sonne schien.
    Aber hier war Withens. Die einzigen sichtbaren Farbtupfer stammten von den roten Propangasflaschen, die hier und da an den Hausmauern lehnten. Nicht einmal eine Gasleitung schien es hier zu geben. Wahrscheinlich war das Dorf auch als eines der Letzten an die Stromversorgung angeschlossen worden. Und das, obwohl die Hochspannungskabel des National Grid durch den Berg verliefen. Von Solarenergie ganz zu schweigen – in Withens ohnehin ein mehr als geschmackloser Witz. So wie es aussah, ging die Sonne über einem Hang im Südosten auf und verschwand hinter einem anderen im Südwesten, ohne Withens auch nur gestreift zu haben. Kein Wunder,
dass die Gärten, auf die Cooper durch die Bäume einen flüchtigen Blick erhaschen konnte, noch an Farbe zu wünschen übrig ließen.
    »Und, wie ist die Situation hier?«, fragte Cooper.
    »Dieselben Probleme wie überall. Immer wieder kommt es zu Einbrüchen und Vandalismus. Vor allem in den etwas abseits gelegenen Häusern, die nicht so leicht einzusehen sind. Gleich hinter dem Dorf liegt eines, das ist ein besonders beliebtes Ziel. Auch die Kirche. Leider.«
    »Stimmt. Sie sagten ja, dass der Pfarrer einen Einbruch gemeldet hat.«
    Cooper konnte über die Bäume hinweg den Kirchturm sehen. Er schien etwas abseits vom Dorf, näher zum Fluss hin, zu stehen, ein gedrungener, rechteckiger Turm im normannischen Stil, nur nicht so alt. In Derbyshire gab es echte, aus der Zeit der Sachsen und Normannen stammende Türme, aber der hier gehörte nicht dazu. Cooper schätzte ihn auf Mitte des neunzehnten Jahrhunderts.
    Cooper wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Dorf zu.
    »Sie sagten, nur manche der Häuser sind Ziel der Einbrüche. Andere offensichtlich nicht. Ist da ein Muster zu erkennen?«
    Udall zögerte. »Durchaus möglich.«
    »Was soll das heißen?«
    »Im Dorf gibt es eine Problemfamilie namens Oxley. Der Alte ist so ein Typ, von dem man nicht genau weiß, mit welchen dubiosen Geschäften er seinen Lebensunterhalt verdient. Die Familie ist weit verzweigt, mit einem Haufen Kinder, von denen uns die meisten bekannt sind – und dem Sozialamt noch besser. Einer der kleinen Racker ist wegen asozialen Verhaltens von der Grundschule geflogen. Vielleicht haben Sie sogar was in der Zeitung über ihn gelesen. Sie konnten ihn natürlich nicht identifizieren, aber seitdem heißt er nur noch der ›kleine Teufel‹.«
    »Da klingelt was bei mir«, sagte Cooper.

    »Ich zeige es Ihnen, wenn wir ins Dorf kommen«, erwiderte Udall. »Das scheint mir am sinnvollsten.«
    Dieser Teil der Grafschaft war von Derbyshire aus nur schwer zugänglich. Er war viel leichter von Sheffield auf der Yorkshire-Seite her zu erreichen, oder selbst von Hyde aus, das Richtung Manchester lag. Aber in den Siebzigerjahren war in einem Büro in London festgelegt worden, dass dieser Teil nun mal zu Derbyshire gehören sollte, und so war es auch. Der Unterschied, in welcher Grafschaft man lebte, konnte mehrere Tausend Pfund an Wert der eigenen Immobilie betragen.
    Cooper warf erneut einen Blick auf das Dorf hinunter. Er hatte das Gefühl, irgendetwas da unten noch nicht richtig beachtet zu haben. Gleich unterhalb der Brücke, in der Nähe der Kirche, weitete sich der Fluss zu einem Teich, gesäumt von ein paar noch kahlen Weiden, die später im Sommer für einen kleinen grünen Farbtupfer sorgen würden. Hier war das Flussufer voller Nesseln und Weideröschen. Aber irgendetwas war seltsam an diesem Teich.
    Cooper richtete PC Udalls

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