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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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Wasser.
    Und außerdem war der Erste Mai der Tag des Namenspatrons der Kirche St. Asaph. Das war der Tag, an dem die Dorfbewohner früher Kirchweih gefeiert hätten. Am Sonntag vor dem Namenstag des Heiligen hätten sie mit einer Nachtwache in der Kirche den Auftakt gemacht, gefolgt von einer Woche Kirmes und Jahrmarkt. Die Frauen hätten nach überlieferten Rezepten die traditionellen Kirchweihküchlein gebacken. Aber das war lange vorbei.
    Alton wusste nicht, wie schuldig er sich wegen seiner Zuneigung für Neil fühlen sollte. Aber Philip Granger war es gelungen, das alles in einem schiefen Licht erscheinen zu lassen. Seit Donnerstag nagte das Wissen an Alton, dass Philip von St. Asaph direkt nach Shepley Head Lodge gefahren war, statt zur Arbeit nach Glossop, wie er gesagt hatte. Michael Dearden war einer der Kirchenvorsteher.
    Dass Dearden bisher kein Wort zu Alton gesagt hatte, machte die Sache nur noch schlimmer, und seiner Fantasie war Tür und Tor geöffnet. Er hatte in sich seine eigene Hölle erschaffen, und jetzt musste er irgendwie mit diesem Dilemma zurechtkommen.
    Bei seiner Wanderung hinauf auf den Berg war Derek Alton abwechselnd von strahlend blauem Himmel und dann wieder von heftigen Regenschauern begleitet worden. Als er oben am Luftschacht angekommen war, war er nass bis auf die Haut. Aber als er sich jetzt vom Berg abwandte, waren es nicht nur die Kälte und die Feuchtigkeit, die Alton frösteln und sich den
Mantel enger um die Schultern ziehen ließen. Die Dämmerung senkte sich über das Moor, und es war Zeit für ihn, nach Hause zu gehen.
    Das Tal von Longdendale unter ihm sah in der zunehmenden Dunkelheit unermesslich und geheimnisvoll aus. Es lag da wie ein zerknittertes Bettlaken, das ein ruheloser Schläfer zwischen Gipfel und Täler gestopft hatte. Nach und nach leuchteten in der Dämmerung die Lichter der Dörfer und Gehöfte in der Umgebung auf.
    Alton war jetzt schon eine Stunde oben am Berg, aber seine Nachtwache hatte ihm keine Antworten gebracht, nicht mehr als in der Kirche. Nur vor Kälte taube Finger. Er würde seine Entscheidung allein treffen müssen.
     
     
    Ben Cooper und Diane Fry ließen sich an ihren Schreibtischen in der Dienststelle der Kriminalpolizei auf ihren Stühlen nieder. Cooper sah Fry an, dass sie so müde war, wie er sich fühlte; das heißt, eigentlich viel müder. Sie sah erschöpft aus und hatte dunkel umschattete Augen.
    In der Zwischenzeit hatte sich noch mehr Papierkram auf Coopers Schreibtisch angehäuft, aber er hatte keine Lust, sich das jetzt anzusehen. Stattdessen starrte er an die Decke und ließ seine Gedanken wandern.
    »Diane«, sagte er schließlich.
    »Ja?«
    »Als du neulich mit Gavin in Wolverhampton warst, warst du da auch in deinem alten Heimatort?«
    Fry gab ihm nicht sofort eine Antwort. Aber Cooper wusste, dass sie seine Frage gehört hatte. Er sah, wie sie verräterisch die Schultern hochzog und wie sie sich – wie immer, wenn die Rede auf ihr Privatleben kam – hinter einer Mauer verschanzte.
    »Ja«, sagte sie.
    »Ich erinnere mich nämlich daran. Du hast mir mal erzählt, dass du in Warley aufgewachsen bist. Du und deine Schwester.«
    »Manchmal ist dein Gedächtnis erschreckend gut, Ben.«
    »Aber es war wichtig für dich«, fuhr er fort. »Jedenfalls schien es damals so gewesen zu sein, als du mir davon erzählt hast, Diane.«
    »So?«
    Ihre Fähigkeit, ihm ein ungutes Gefühl zu vermitteln, war geradezu unheimlich. Und sie musste sich gar nicht sonderlich anstrengen. Eine leichte Veränderung im Tonfall genügte, und schon blitzte Eiseskälte hinter ihren Worten auf. Zudem sprach ihr bohrender Blick Bände. Doch dieses Mal musste sie ihn gar nicht erst anschauen, um ihn wissen zu lassen, dass seine Einmischung unerwünscht war. Jede Faser ihres Körpers strahlte subtilste Botschaften aus.
    »Ich habe gerade überlegt, was dir dein alter Heimatort bedeutet hat. Als du das jetzt alles wiedergesehen hast, hast du es da bereut, von dort weggegangen zu sein? Hat es sich für dich immer noch nach Zuhause angefühlt? Sind Erinnerungen wach geworden?«
    »Ben, habe ich dir jemals gesagt, dass du zu viele Fragen stellst?«
    »Ich bin Kriminalbeamter«, erwiderte Cooper leichthin. »Das ist mein Job.«
    »Schön. Solange du den richtigen Leuten die richtigen Fragen stellst. Aber ich bin keine Verdächtige in einem deiner Fälle. Und du hast genügend Personen, über die nachzudenken vielleicht nützlich wäre. Vielleicht sollten wir mal

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