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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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Fry näher zu kommen, stellte Cooper fest, dass er schweißgebadet und voll gepumpt mit Adrenalin war, als wäre er soeben einer lebensbedrohlichen Situation entkommen.
    Er wusste nicht einmal, ob er Fortschritte machte. Die meisten Menschen wären nach einer Weile mürbe gewesen und hätten wenigstens ein bisschen was von sich preisgegeben. Aber Fry zeigte keinerlei Anzeichen dafür. Cooper hatte es mit der empfohlenen Körpersprache bei ihr probiert, hatte versucht, keine bedrohliche, sondern die verständnisvolle Haltung des Zuhörers einzunehmen. Vielleicht sollte er es mal mit der Pater-Murphy-Variante probieren.
     
    Derek Altons Wagen stand in der Parkbucht an der A628, gleich neben dem Einstieg zu dem Wanderweg, den auch Neil benutzt hatte.
    Es war bereits neun Uhr und völlig dunkel, als Alton am Quiet Sheperd in Withens vorbeifuhr. Bis auf die wenigen Fahrzeuge, die den Parkplatz der Dorfkneipe verließen, war es fast vollkommen still im Ort. Das alte Pfarrhaus, in dem die Renshaws wohnten, lag in Dunkelheit gehüllt; nur in einem der Fenster flackerte eine Kerze.

    Alton fuhr weiter an dem Schild vorbei und über die Grafschaftsgrenze hinüber nach South Yorkshire. Am Ende der Straße stellte er den Wagen in eine Toreinfahrt, blieb ein paar Minuten sitzen und starrte vor sich hin.
    Schließlich holte er tief Luft und stieg aus. Um ihn herum war kein Laut zu hören außer dem Murmeln des Wassers, das unaufhörlich durch die Landschaft floss. Gelegentlich blökte über ihm im Moor ein Schaf. Alton reckte den Kopf, um zu sehen, ob vor ihm ein Licht brannte. Aber aus irgendeinem Grund war auch das Haus der Deardens in Dunkelheit gehüllt.
     
     
    Michael Dearden hatte einen alten Küchenstuhl gefunden und zwischen die Haufen aus Asche und verkohlten Brettern in dem ausgebrannten Stall gestellt. Er platzierte den Stuhl so, dass er durch ein Loch in der vorderen Wand, die beinahe vollständig zerstört war, genau in den Hof schauen konnte. In seinem Blickfeld lagen auch das seitliche Gatter, die Rückseite der Garage und fünfzig Meter Zaun entlang der hinteren Weide. Auf welchem Weg sie auch immer kommen mochten, er war sicher, sie zu sehen. Ohne Gail etwas davon zu sagen, hatte er die Sensoren deaktiviert, welche die Sicherheitsbeleuchtung auf der rückwärtigen Seite der Lodge einschalteten. Das würde Eindringlinge ermutigen, sich von hinten dem Haus zu nähern. Und dort würde er sie erwarten.
    Dearden spähte am Doppellauf vorbei in die Dunkelheit, um seine Augen daran zu gewöhnen. Er würde zwar nicht sehen können, wer die Eindringlinge waren, bevor er auf sie schoss, aber wieso kamen sie nachts in seinen Hof, wenn nicht mit böser Absicht?
    Er legte an und ließ die doppelläufige Flinte langsam von einer Seite zur anderen wandern. Die Berührung des Schafts, der sich ihm hart in die Schulter bohrte, verschaffte ihm fast so etwas wie Befriedigung. Endlich fühlte er sich stark. Jetzt konnten sie kommen. Er war bereit.

    Nur weil seine Augen sich bereits an die Dunkelheit gewöhnt hatten, nahm Derek Alton die Bewegung überhaupt wahr. Aber selbst da war es schon zu spät. Das Mündungsfeuer blitzte eine Sekunde später auf. Alton hätte nicht zu sagen gewusst, ob er sich mit einem Hechtsprung aus der Schusslinie gebracht hatte oder ob sein Körper durch die Wucht des Schusses zur Seite geschleudert worden war. Der Aufprall traf ihn zur selben Zeit, wie ein ohrenbetäubender Donner den Hof erfüllte. Eine Druckwelle versengte seinen Körper und verbrannte sein Gesicht mit ihrem heißen Atem, und der Gestank erfüllte seine Nase wie der Rülpser eines Riesen. Alton wurde von der Kraft des heißen Atems zur Seite gerissen, Schulter und rechte Hand wurden im Fallen gegen die Mauerkante gepresst.
    Das Letzte, was Derek Alton spürte, war der Schmerz. Aber da leckten dessen dunkle Wellen bereits an seinem verschwimmenden Bewusstsein, ehe er sich endgültig aufschwang und davonschwebte. Alton verspürte eine Welle der Freude und der Gewissheit wie jemand, der ein schon lange überfälliges Opfer gebracht hatte.

38
    Sonntag
     
     
    S onntags sollte Ben Cooper eigentlich dienstfrei haben. Stattdessen fand er sich an diesem Morgen unversehens in Withens wieder, wo er seinen Toyota auf den Parkplatz und neben die Bushaltestelle der Verkehrsbetriebe von Yorkshire lenkte. Als er aus dem Wagen stieg, drang von irgendwoher das Rumpeln schwerer Baumaschinen an sein Ohr; wahrscheinlich der Lärm, den ein Traktor auf

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