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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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glaube ich«, erwiderte Murfin.
    »Meinst du wirklich?«
    »Bin ziemlich sicher.«
    »Für meinen Geschmack klingst du aber nicht sehr überzeugt. Kennst du überhaupt das Kaff, wohin wir fahren? Es liegt doch in Derbyshire, oder?«
    »Mehr oder weniger. Aber von kennen kann in dieser ab gelegenen Ecke nicht die Rede sein. Erst, wenn man dort wohnt.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Fry misstrauisch.
    »Du wirst schon sehen.«
    »Oh, ich kann es kaum erwarten.«
    »Dark Peak West«, sagte Murfin. »Ich bin sicher.«
    »Halt doch mal eine Minute an.«
    »Warum?«
    »Weil das auf der anderen Kartenseite ist, deshalb. Ich brauche Platz.«
    Murfin bog in eine Toreinfahrt. Fry stieg aus und mühte sich mit der Karte ab. Sie musste sie erst ganz entfalten, um sie überhaupt umdrehen zu können. Aufgeschlagen bedeckte die Karte fast das ganze Dach des Peugeot. Fry fluchte leise vor sich hin, während derWind durch das Tal fegte, unter die Ecken der Landkarte fuhr und daran zerrte; er klatschte das Papier gegen das Autodach und versuchte, Fry die Karte aus der Hand zu reißen.
    »Okay, ich habe den Dark Peak West«, rief sie Murfin zu. »In der Ecke oben rechts sehe ich einen Ort namens Holmfirth. Ist Withens irgendwo in der Nähe?«
    »Nicht weit weg jedenfalls. Holmfirth liegt ein paar Meilen jenseits der Grenze in SouthYorkshire. Schau ein bisschen weiter südlich, und dann müsstest du es sehen. Es ist auf dieser
Seite der Nationalparkgrenze, in einem Gebiet namens Longdendale.«
    »Ein bisschen weiter südlich? Aber da ist nichts.«
    »Na ja, nichts kann man nicht sagen.«
    »Gavin, ich sehe hier die Nationalparkgrenze, und ich sage dir, hier ist nichts. Jedenfalls nichts auf dieser Seite.«
    »Lass mal, wir finden das schon«, beschwichtigte Murfin sie.
    Fry duckte sich und stieg wieder ins Auto. Dort klappte sie die Sichtblende herunter und spähte in den kleinen Spiegel. Der Wind hatte ihr Haar auf einer Seite zu einem altmodischen Punkhelm aufgetürmt. Murfin würde seine Karte entweder mit Tesafilm kleben oder sich gleich eine neue kaufen müssen.
    »Dann fahr mal los«, sagte sie. »Aber soweit ich das beurteilen kann, liegt das Kaff, zu dem wir fahren – wie nennt ihr das hier? – am Arsch der Welt.«
    »Hinter dem Mond«, sagte Murfin.
    »Von mir aus. Aber meine Variante gefällt mir besser.«
     
     
    Wenige Minuten später hatten sie Edendale hinter sich gelassen, fuhren nordwärts das Hope Valley hinauf und näherten sich dem Dorf Bamford.
    »Willst du über den Snake-Pass fahren?«, fragte Fry, die versuchte, ihre Route auf der Karte zu verfolgen.
    »Ja.«
    »Ist das die beste Strecke, Gavin?«
    »Eindeutig.«
    Fry suchte immer noch das Gebiet namens Longdendale. Hier war frühmorgens die Leiche gefunden worden. Es war ein langes Tal, das über die gesamte Breite der Karte verlief. Fry betrachtete das angrenzende Terrain mit wachsendem Staunen. Mit Ausnahme des dünnen, roten Bandes der A628, die sich von Ost nach West hindurchschlängelte, und den blauen Flecken der Wasserreservoire am Talgrund wies die Karte überhaupt keine Eintragungen auf. Nein, ganz stimmte das nicht.
Da waren massenhaft dünne, braune Linien, die sich in jede Richtung zogen und sich mal hier, mal da stärker verdichteten. Das waren Höhenschichtlinien. Je näher die Linien beieinander lagen, desto steiler war das Gelände. Fry konnte sich vage aus dem Erdkundeunterricht daran erinnern. Durchkreuzt wurden diese braunen Linien von fast ebenso vielen dünnen, blassblauen Strichen. Wie kleine Schlangen wanden sie sich von den Gipfeln herab und verzweigten sich in jede Richtung. An einem Bein wären es die schlimmsten Krampfadern gewesen, die Fry je gesehen hatte.
    Viele dieser blassblauen Linien wurden als »cloughs« bezeichnet, als »slacks« oder »groughs« – Wasserläufe und Bäche, welche die Täler mit Wasser speisten. Fry konnte sich vorstellen, wie feucht der Boden dort oben sein musste, ganz sicher Torfmoor.
    Außerdem drängten sich scharenweise schwarze Punkte auf der Karte. Fry sah in der Zeichenerklärung nach, was sie bedeuteten. Raues Grasland. An manchen Stellen waren diese Flecken blau. Das hieß dann Sumpfgelände – eine höfliche Umschreibung für morastigen Boden, der unter jedem Schritt nachgab wie feuchter Plumpudding. Dieser Boden schien eine Spezialität des Dark Peak zu sein. Fry seufzte. Sollte irgendjemand mal versuchen, sie zu überreden, auch nur einen Meter auf diesem kahlen Torfmoor zurückzulegen,

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