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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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langsam wach werde. Wenn es mir doch nur gelänge, ihn lange genug zu konservieren, dann könnte ich ihn auch Wirklichkeit werden lassen. Aber es gelingt mir nie. Jedes Mal gleitet mir dieser Moment wieder aus den Händen.«
    Sarah seufzte und starrte auf einen Punkt über Frys Kopf.
    »Dann schlage ich die Augen auf, und alles ist wieder wie zuvor. Plötzlich sind zwei Jahre vergangen, und ich bin wieder im Hier und Heute. Und dann kommt die neue Sarah zum Vorschein.«
    Howard hatte sich einen Stuhl herangezogen, um näher bei seiner Frau zu sein. Er beugte sich zu ihr und berührte sie an der Schulter.
    »Sie kommt bald wieder zurück«, sagte er.
    Aber Sarah schien ihn weder wahrzunehmen noch seine Berührung zu spüren. »Ich sorge dafür, dass die Uhr in Emmas Zimmer immer läuft«, erklärte sie. »Ich achte darauf, regelmäßig die Batterien zu wechseln. Es ist wichtig, dass die Uhr nicht stehen bleibt. So lange sie tickt, zählt sie die Minuten, bis Emma nach Hause kommt. Erst dann darf sie stehen bleiben.«
    »Mrs Renshaw, als Emma verschwand -« setzte Fry an.
    »Als sie nicht nach Hause kam«, verbesserte Sarah sie sanft. Aber in ihrer Stimme lag ein resignierter Tonfall, der darauf hindeutete, dass sie diesen Satz schon oft gesagt hatte – oft und zu vielen Menschen.
    »Als sie nicht nach Hause kam«, wiederholte Fry, »da hätten Sie mit allen ihren Freunden gesprochen, sagten Sie.«
    »Ja, natürlich haben wir das getan.«
    »Meinen Sie damit die jungen Leute, mit denen sie das Haus teilte?«

    »Ja, und noch einige andere, wie die Mädchen aus ihrem Seminar.«
    »War das bevor oder nachdem die dortige Polizei mit ihnen gesprochen hatte?«
    »Bevor«, mischte Howard sich ein. »Das heißt, falls sie sich überhaupt die Mühe gemacht haben, mit ihnen zu reden.«
    »Die Beamten der West-Midlands-Polizei haben damals alles Erforderliche korrekt erledigt, Mr Renshaw.«
    »Ich schätze, Sie müssen das sagen. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.«
    »Man hat uns Kopien von allen ihren Berichten geschickt. Ich habe sie gestern alle durchgelesen.«
    »Es ist jetzt neun Monate her, da hat uns ein Journalist einer Lokalzeitung gesteckt, die Polizei hätte einen Mann festgenommen. Er habe damals zur selben Zeit und in derselben Gegend auch zwei andere Studentinnen überfallen«, sagte Howard.
    »Ja, ich bin über den Vorfall informiert.«
    »Der Journalist hat uns weiterhin erzählt, die Polizei habe versucht, dem Mann anzuhängen, dass er auch Emma etwas angetan habe. Sie hätten keinerlei Beweise, sagte er, brächten die Vorfälle aber miteinander in Verbindung. Sie versuchten, das ›passend‹ zu machen, wie er sich ausdrückte«, fuhr Howard fort.
    »Ja.«
    »Ich denke, in Wirklichkeit hat die Polizei schon aufgegeben und beschlossen, das als Ausrede zu benutzen.«
    Es stimmte. In den Akten war auch von einem Mann die Rede, der wegen des Überfalls auf die Studentinnen für schuldig befunden worden war. Eines der Opfer war einige Tage danach verstorben, und es war eine Mordanklage daraus geworden. Diese Vorfälle hatten sich in Birmingham ereignet, das zwar einige Meilen von Bearwood entfernt, aber dennoch leicht zu erreichen war. Der Angeklagte hatte jede Verantwortung für
das Verschwinden einer dritten Studentin abgestritten, und die Polizei war nicht in der Lage gewesen, ihm eine Verbindung nachzuweisen. Wahrscheinlich, weil die Leiche nie aufgetaucht war, wie dort stand. Fry hoffte, dass man das den Renshaws nicht gesagt hatte.
    »Wir haben Emmas Tagebuch auf Hinweise durchsucht«, erzählte Howard. »Wir hatten nämlich gehört, dass auch die Polizei so vorgeht. Wir suchten nach Hinweisen auf ihre seelische Verfassung, oder ob sie vielleicht Leute erwähnt hatte, mit denen sie sich treffen wollte. Die Namen irgendwelcher Verehrer.«
    »Und?«
    »Sie hatte vor, über Ostern nach Hause zu fahren. Das war alles.«
    »Wann war die letzte Eintragung in diesem Tagebuch?«
    »Am Mittwoch, an dem Tag, als sie anrief.«
    »Keine Verabredungen für die folgenden Tage?«
    »Nein.«
    »Emma schrieb oft in ihr Tagebuch«, warf Sarah ein. »Sie ist ein sehr nachdenkliches, sensibles junges Mädchen. Sehr künstlerisch veranlagt, wissen Sie. Sie reflektierte permanent ihre Gefühle. Manchmal schrieb sie auch Gedichte.«
    »In ihr Tagebuch?«
    »Ja.«
    »Dieses Tagebuch von Emma – haben Sie das in Bearwood gefunden?«
    »Ja.«
    »Und wo ist es jetzt?«
    »Hier in ihrem Zimmer, bei ihren übrigen

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