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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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Sachen.«
    »Könnte ich vielleicht mal einen Blick hineinwerfen?«
    »Aber sehr gern.«
    »Sie braucht es nicht mehr, wenn sie wiederkommt«, erklärte Sarah. »Wir haben ihr für dieses Jahr ein neues gekauft.«
    Fry konnte sich zwar die Antwort auf ihre nächste Frage selbst geben, stellte sie aber trotzdem.

    »Haben Sie Emmas Zimmer so gelassen, wie es war?«
    »Natürlich«, erwiderte Sarah.
    »Könnte ich es ebenfalls sehen?«
    »Ich zeige es Ihnen«, erbot sich Howard und sprang auf, als sei er erleichtert, einen Vorwand zu haben, sich endlich bewegen zu dürfen. Vielleicht war auch ihm die Atmosphäre zu stickig geworden. Fry war jedenfalls froh über die frische Luft im Flur und über das helle Licht, das aus dem großen Panoramafenster oben an der Treppe hereinfiel. In der Küche erhaschte sie einen Blick auf einen deprimiert wirkenden schwarzen Cocker Spaniel. Wahrscheinlich stammten von ihm die Hundehaare auf Sarah Renshaws Rock.
    »Wie lange wohnen Sie schon hier, Mr Renshaw?«, fragte Fry.
    »Über zwanzig Jahre. Zuvor wohnten wir in Marple, drüben in Cheshire.«
    »Ein schöner Ort?«
    »Ja, sogar sehr schön.Wir hatten auch ein wunderbares Haus und viele Freunde.«
    »Aber Emma hat immer hier gewohnt, bevor sie ins Black Country zog?«
    »Ja.«
    »Gefällt es Ihnen hier?«
    »Sicher. Das einzige Problem, das wir je hatten, war ein Einbruch vor ein paar Monaten. Aber davon waren alle hier betroffen. Uns ist nicht viel gestohlen worden. Und dabei wären wir zu dem Zeitpunkt gar nicht außer Haus gewesen, wenn unser geistiger Führer uns damals nicht angewiesen hätte, an einem bestimmten Ort nach Emma zu suchen. Leider. Sarah hat sich deswegen auch etwas aufgeregt.«
    »Das ist verständlich.«
    Wie Fry erwartet hatte, war Emmas Zimmer in ein Mausoleum der Erinnerung verwandelt worden. Bilder über Bilder hingen an den Wänden und stapelten sich auf dem Schreibtisch,
überall waren gerahmte Fotografien von Emma in allen Entwicklungsstadien zu sehen – angefangen vom zweijährigen Kleinkind bis hin zum Teenager mit langen Haaren. Auf einer kleinen Frisierkommode standen Parfümflakons und Schminkutensilien, und über einem Stuhl hing ein Morgenmantel, als wäre er nur wenige Minuten zuvor über die Lehne geworfen worden. Zweifellos war der Schrank angefüllt mit Emmas Kleidung. Das Bett war feinsäuberlich gemacht und bereit, jederzeit benutzt zu werden, wenn man von der Tatsache absah, dass Tagesdecke und Kissen teilweise von Teddybären in allen Grö- ßen und Farben okkupiert waren.
    »Ach, übrigens, das mit Edgar, das tut mit Leid«, sagte Howard.
    »Oh, der Bär?«
    »Zuerst versteckte Sarah ihn immer, wenn Leute ins Haus kamen. Es machte sie verlegen, Fragen nach ihm beantworten zu müssen. Aber für die Besucher war es noch peinlicher, wenn Sarah den Ausdruck auf ihrem Gesicht bemerkte und ihnen ansah, dass sie nicht wussten, was sie sagen sollten. Nach einer Weile beschlossen wir, den Bären zu lassen, wo er war. Es wäre uns wie eine Beleidigung für Emma vorgekommen, ihn zu verstecken. Das ist eben unsere Art, damit klarzukommen. Ich hoffe, Sie stören sich nicht daran.«
    »Nein, selbstverständlich nicht.«
    »Aber ich glaube, Ihrem Kollegen war das nicht ganz geheuer.«
    Fry wollte schon erklären, dass Gavin Murfin ein ziemlich grober Klotz sei. Aber sie hielt den Mund und erkundigte sich stattdessen nach den Gegenständen, die die Renshaws aus dem Haus in Bearwood mitgebracht hatten.
    »Hier, die Zeichnungen auf ihrem Schreibtisch.«
    »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich sie mir ansehe?«
    »Ganz und gar nicht.«
    Fry blätterte die Zeichnungen durch. Einige waren mit Bleistift
oder Zeichenkohle angefertigt, andere mit Wasserfarben oder als Gouache ausgeführt. Es waren Landschaften darunter und abstrakte Zeichnungen. Manche davon schienen Skizzen von Models in bizarren Designerkleidern zu sein oder einfach kunstvolle Schriftzüge mit 3D-Effekt. Andere wiederum waren Computergrafiken in ausgefallenen Farben, die wie Negative wirkten. Fry hielt sich nicht für eine Expertin in Sachen Kunst, aber sie sah wenig, das sie als talentiert erachtet hätte.
    »Das sind ihre besten Arbeiten«, erklärte Howard. »Wir haben sie bereits aussortiert und für den freien Montag, den Maifeiertag, bereitgelegt. Da veranstalten wir einen Emma-Tag.«
    »Sie machen was?«
    »Wir veranstalten einen Emma-Tag. Da werden wir alle ihre Zeichnungen und Gedichte ausstellen, damit jeder sieht, was für ein Mensch

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