Die einsamen Toten
spüren. Gelegentliche Besuche bei seinem Bruder Matt und dessen Familie auf der Farm machten die Sache nur noch schlimmer. Zu viele Erinnerungen.
Der Kater rieb sich an seinen Beinen. Randy wechselte bereits sein Fell, und der raue, stumpfe Winterpelz fiel ihm büschelweise aus, was das zottelige schwarze Fell seidiger und dunkler wirken ließ. Seit Cooper ihn fütterte, war Randy schlanker und fitter und revanchierte sich gelegentlich mit einer toten Maus, die er aus dem Garten in die Wohnung trug.
Wenn Cooper dann endlich nach Hause kam, hatten die kleinen Kadaver oft schon zu stinken angefangen und die ersten Fliegen angelockt. Der charakteristische Geruch des Todes schien Cooper zurzeit überallhin zu verfolgen. Sogar als Geschenk auf seinem Küchenboden.
14
Montag
D etective Chief Inspector Kessen stellte sich im vorderen Teil des Raums für die morgendliche Einsatzbesprechung in Positur. Vor ihm auf einem Tisch lagen mehrere Beweisstücke im Zusammenhang mit den Ermittlungen im Mordfall Neil Granger.
»Für mich sieht er aus wie ein griechischer Gott«, sagte Gavin Murfin und setzte sich neben Ben Cooper.
»Also, ich würde sagen, eher wie Neptun«, meinte Cooper.
»Wieso?«
»Es liegt am Bart. Der ist irgendwie so... gezwirbelt.«
»Ja. Wie der vom Teufel.«
Kessen wartete mit ausdrucksloser Miene, bis alle Platz genommen hatten. Diane Fry setzte sich allein in die erste Reihe, wo sich sonst keiner hinsetzen wollte.
»Aber ich möchte wetten, der ist einen Haufen Geld wert«, meinte Murfin. »Bestimmt mehrere tausend.«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Wie alt würdest du sagen?«
»Ein-, zweihundert Jahre, mehr nicht«, antwortete Cooper.
Kessen räusperte sich. Allmählich wurde es still im Zimmer.
»Ich weiß, was Sie jetzt wissen möchten«, begann er. »Ich habe beschlossen, ihn Fred zu nennen.«
Der DCI lächelte, ohne seine Zähne zu zeigen, was nicht sehr humorvoll wirkte. Im Gegenteil. Es sah eher aus, als drohte er seinen Untergebenen, falls jemand tatsächlich wagen sollte, zu lachen.
»Du meine Fresse«, stöhnte Murfin.
Kessen hob einen der Beweismittelbeutel in die Höhe. Mit beiden Händen, wegen des Gewichts. Alle konnten sehen, was der durchsichtige Plastikbeutel enthielt. Zusätzlich war eine große Farbaufnahme des fraglichen Gegenstandes an eines der schwarzen Bretter geheftet.
»Das ist eine antike Bronzebüste«, erklärte der Chief Inspector. »Sie wurde in dem Wagen gefunden, der dem Opfer Neil Granger gehörte. Bei dem fraglichen Fahrzeug handelt es sich um einen Volkswagen VW-Käfer, der in einer Haltebucht auf der A628 abgestellt worden war, nur wenige hundert Meter unterhalb des Hangs, wo man Mr Grangers Leiche fand.«
Die Büste – ein Männerkopf mit Römernase, lockigem Haar und langem, gezwirbeltem Bart – war ungefähr zweiundzwanzig Zentimeter hoch, mit stumpfer, grüner Patina überzogen, und stand auf einem klobigen Sockel. Der Mann, wer immer er auch sein mochte, starrte mit leeren Augen in den Raum. Cooper musste bei seinem Anblick an eine Leiche denken, die er einmal auf dem Seziertisch im Leichenschauhaus gesehen hatte: ein obdachloser Ire, der bei einem Unfall mit Fahrerflucht getötet und im Straßengraben liegen gelassen worden war. Der Ire hatte schwarze Haare gehabt, aber sein Gesicht war ähnlich grün verfärbt gewesen.
»Wie wir wissen, ist es in den vergangenen Monaten immer wieder zu Einbrüchen im Gebiet von Longdendale gekommen«, fuhr Kessen fort. »Dabei wurden auch kleine antike Gegenstände entwendet. Das hier ist ein kleiner antiker Gegenstand.«
Die schwere Büste knallte dumpf auf den Tisch, als er sie wieder zurücklegte.
»Erste Untersuchungen der Einkommensverhältnisse und des Umfelds von Neil Granger deuten darauf hin, dass er nicht auf normale Weise in den Besitz dieses Gegenstandes gelangt sein kann.«
Kessen zögerte und ließ einen Blick über die Gesichter einiger seiner Beamten in der hintersten Reihe wandern. Er schien irgendwie enttäuscht.
»Wir denken, dass sie wahrscheinlich gestohlen ist«, fügte er hinzu.
»Kriegen die Medien von uns Fotos von der Büste, Sir?«, fragte einer der Polizisten.
»Jetzt noch nicht.«
»So könnten wir sie schneller identifizieren, wenn sich der rechtmäßige Besitzer meldet. Irgendjemand erkennt das Ding bestimmt, wenn er es im Fernsehen oder in der Zeitung sieht. Es ist ziemlich ausgefallen.«
»Aber wir würden den Dieben damit einen Hinweis geben, dass wir die
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