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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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hatten die Leute der Polizei oder sich gegenseitig oder der Welt im Allgemeinen nicht getraut. Natürlich war ein Polizeibeamter an Misstrauen gewöhnt. Er lebte praktisch damit. Aber ungerechtfertigtes Misstrauen war deprimierend.
    Cooper wusste, dass in die Wohnung über ihm ein neuer Nachbar einziehen würde. Die vorherige Mieterin hatte viele Jahre dort gewohnt, war mit der Zeit aber immer gebrechlicher geworden. Als man ihr einen Platz in einem Heim für betreutes Wohnen angeboten hatte, hatte sie zugegriffen. Cooper rechnete damit, dass seine Vermieterin, Mrs Shelley, die Wohnung bald wieder annoncieren würde, so wie sie es auch mit seiner Erdgeschosswohnung gemacht hatte. »Nur an zuverlässige und vertrauenswürdige Mieter mit geregeltem Einkommen.« So hatte die Anzeige gelautet, die er durch reinen Zufall in der Buchhandlung entdeckt hatte.
    Aber Mrs Shelley machte keinerlei Anstalten, die Wohnung zu annoncieren und gar renovieren zu lassen, nachdem die Möbel der alten Mieterin entfernt worden waren. Cooper hätte zu gern gewusst, wie es nun weiterging. Von der alten Dame hatte er fast nichts mitbekommen, aber ein weniger ruhiger Mieter über ihm könnte ziemlichen Einfluss auf sein Leben haben.
    Merkwürdigerweise hatte Mrs Shelley einen Narren an ihm gefressen. Er hatte eigentlich erwartet, dass sie ihn für den Tod ihres Neffen verantwortlich machen würde, der drei Monate zuvor im Zuge der Ermittlungen in einem Mordfall ums Leben gekommen war. Cooper war der einzige Zeuge gewesen. Aber als man ihr alles erklärt hatte, war Mrs Shelley zu dem Schluss gekommen, dass Cooper sich wie ein Held verhalten habe. So hatte er gewissermaßen den Platz ihres Neffen eingenommen, und ihm galt jetzt ihr ganz spezielles Interesse. Wahrscheinlich hätte er sie um jeden Gefallen bitten können, und sie hätte ihm nichts abgeschlagen. Aber es wäre unfair gewesen, das auszunützen.

    Cooper wollte eigentlich nur eines, und zwar in Ruhe seine Wohnung genießen. Falls er seine Vermieterin zu sehr ermutigte, befürchtete er, sie könnte auf die Idee kommen, alle paar Minuten in seine Wohnung zu platzen und nachzuschauen, wie es ihm ging. Deshalb auch die Riegel vor der Tür. Mrs Shelley hatte zwar einen Schlüssel zu seiner Wohnung, konnte aber auf keinen Fall einfach hineinspazieren, wenn er da war. Seine Privatsphäre war Cooper im Augenblick lieb und teuer. Er hatte nie zuvor seine eigenen vier Wände gehabt, da er sein ganzes Leben lang bei seiner Familie auf der Bridge End Farm gewohnt hatte. Jetzt endlich, da er auf seinen dreißigsten Geburtstag zuging, fühlte er sich zum ersten Mal frei und in der Lage, sich in dieser kleinen Wohnung eine eigene Welt zu erschaffen. Und er war überrascht, mit welcher Vehemenz er sein Territorium verteidigte.
    Mit einer Gabel schaufelte er für Randy eine Dose Whiskas Ente-Truthahn in eine Schüssel. Die Katze rieb sich kurz an Coopers Beinen. Obwohl sich die beiden erst seit einigen Monaten kannten, hatte das Tier bereits einen festen Platz in Coopers neuem Leben eingenommen. Womit bewiesen war, dass man an einer neuen Beziehung nicht erst jahrelang arbeiten musste.
    »Wo ist deine Freundin, Randy?«
    Cooper nannte die zweite Katze Mrs Macavity, weil sie immer wie ein Geist ins Haus schlich wie ihr gleichnamiger Namensvetter aus dem Gedicht von T. S. Eliot. Cooper wusste nicht einmal, wo sie lebte. Sesshaft war sie nur die paar Monate gewesen, die sie in seinem Wintergarten verbracht und fünf zerzauste schwarz-weiße Junge großgezogen hatte, die eines Morgens in ihrem Katzenkorb gelegen hatten. Sonst wusste er nie, ob er mit ihr rechnen konnte oder nicht. Wahrscheinlich hatte sie eine ganze Reihe von Teilzeitheimen, die sie aufsuchte, wann immer ihr danach war. Heute einen Happen hier, morgen einen dort.

    Sobald Cooper alle jungen Katzen in seiner Familie untergebracht hatte, war Mrs Macavity wieder zu ihrem alten Vagabundenleben zurückgekehrt. Sie war wesentlich freiheitsliebender als Randy, der sich von seinem warmen Körbchen neben dem Abzugsrohr im Wintergarten nie weit entfernte. Er benützte die Katzenklappe nur, um seine Geschäfte im Garten zu erledigen. Dann beäugte er das Wetter und legte sich entweder für eine Weile in die Sonne oder kehrte schnurstracks in seinen Korb zurück. Er war ein Kater mit festen Gewohnheiten und einem präzisen Gespür für sein Revier. Das gefiel Cooper. Seiner Meinung nach war es diese Haltung, die einen Menschen befähigte, sich ein

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