Die einsamen Toten
Büste haben«, erwiderte Kessen. »Das wäre mir im Moment noch nicht recht. Dieses Detail werden wir zunächst für uns behalten. Haben Sie das alle verstanden?«
Heftiges Nicken, aber auch ein paar unsichere Blicke von Beamten, die ihren Frauen oder Männern gegenüber die Bronzebüste vielleicht bereits erwähnt hatten.
»Aber einige Informationen, diesen Gegenstand betreffend, haben wir bereits«, sagte Kessen. »Detective Inspector Hitchens wird uns aufklären.«
»Wir haben gestern Fotos der Büste per E-Mail an einige Spezialisten geschickt und sie gebeten, einen Blick darauf zu werfen«, erklärte Hitchens. »Offensichtlich handelt es sich dabei um die Kopie einer Marmorbüste aus einem Museum in Florenz. Der Typ mit dem lockigen Haar und dem Bart ist Lucius Verrus, ein obskurer römischer Herrscher. Aber es gibt noch eine Kopie davon, eine größere, und zwar in unmittelbarer Nähe, im Chatsworth House. Das ist der Herrensitz des Duke of Devonshire, ein paar Meilen östlich von hier.«
»Ich denke, wir alle wissen, was das Chatsworth House ist«, warf Kessen ein.
Gavin Murfin hob die Hand. »Sind in Chatsworth in der
letzten Zeit eigentlich Antiquitäten geklaut worden?«, fragte er. »Ich war da mal mit der Frau und den Kindern, und der Kasten ist voll davon. Man kann sich kaum bewegen vor lauter altem Krempel. Der alte Herzog muss ein Schweinegeld für die Versicherung hinblättern.«
»Danke, Murfin«, sagte Hitchens mit einem unbehaglichen Blick auf den Chief Inspector.
»Als wir dort waren, habe ich zur Frau gesagt, dass ich auch ins Antiquitätengeschäft einsteigen werde, falls die mich bei der Polizei mal rauswerfen. Ich könnte den Kids beibringen, hin und wieder ein bisschen Porzellan und Silber aus Chatsworth mitgehen zu lassen. Das geht keinem ab. Der Kasten ist riesig. In dem Teil, den wir uns angesehen haben, wohnt nicht mal jemand. Können Sie sich das vorstellen? Woher wollen die also wissen, was sie alles haben und was nicht? Damit könnte man’ne Stange Geld machen, würde ich sagen.«
»Gavin...«
»Gavin...« »Ja Sir?«
»Wir untersuchen hier einen gewaltsamen Tod und planen keine Neuauflage von Rififi«, wies Hitchens ihn zurecht.
»’tschuldigung.«
»Sind Fingerabdrücke auf der Büste, Sir?«, fragte Cooper.
»Ja, die des Opfers. Die von Neil Granger.«
»Seine Fingerabdrücke sind auf der Büste? Das ist aber sehr stümperhaft, falls er wirklich mit einer organisierten Bande zu tun hat.«
»Irgendeinen Fehler machen sie doch alle.«
»Jeder weiß, dass man heutzutage keine Fingerabdrücke mehr hinterlässt. Das gefällt mir nicht.«
»Auf jeden Fall ist es ein Beweisstück«, sagte Kessen. »Wir werden schon sehen, wie das alles zusammenpasst.«
Murfin beugte sich zu Cooper hinüber. »Klar ist das ein Beweisstück«, sagte er. »Warum muss er dauernd wiederholen, was schon bekannt ist?«
»Wo hielt sich das Opfer auf, nachdem es die Kirche in Withens verlassen hatte?«, fragte Cooper und versuchte, so zu tun, als hätte er Murfin nicht gehört.
Der DCI warf Hitchens einen Blick zu, als wollte er ihn auffordern, endlich das zu tun, wofür er bezahlt wurde.
»Wie es aussieht, ist Granger direkt nach Hause gefahren«, sagte Hitchens. »Den Nachbarn nebenan fiel der Volkswagen auf. Das war ungefähr zwanzig Minuten, nachdem er – laut Aussage von Reverend Alton – die Kirche verlassen hatte.«
»Die Nachbarn haben ihn gesehen?«, fragte Cooper. Er hätte gern selbst mit diesen Nachbarn gesprochen, aber man hatte ihn nicht dazu eingeteilt.
»Nein, aber der VW hat ein charakteristisches Motorengeräusch, sagen sie. Außerdem haben sie gehört, wie Grangers Haustür zufiel, und kurz darauf erklang Musik, die ungefähr eine Dreiviertelstunde lief.«
»Was für eine Musik?«
»Ist das wichtig, Ben?«
»Ich überlege nur gerade, wie dick die Wände sind. Wenn die Nachbarn erkennen konnten, welche Musik es war, bedeutet das, dass die Wände dünn sind und dass sie mehr von dem hätten hören können, was nebenan vor sich ging.«
»Die Nachbarn sind eine andere Generation als Neil Granger«, erklärte Hitchens. »Ich nehme nicht an, dass sie die Musik erkannt hätten, selbst wenn sie sie über Kopfhörer gehört hätten.«
»Ich denke, dass es Nirvana war«, sagte Cooper.
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Die CD steckte noch in dem Recorder, als wir mit Grangers Bruder im Haus waren. Ich habe nachgesehen. Und sie läuft ungefähr eine
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