Die einsamen Toten
Zuhause zu erschaffen.
Cooper hatte Dorothy Shelley um Erlaubnis gebeten, den Garten hinter dem Haus benutzen zu dürfen. Vom Wintergarten aus führte zwar eine Tür hinaus, aber laut Mietvertrag gehörte der Wintergarten gar nicht zu seiner Wohnung. Er hatte also kein Recht darauf, und im Grunde genommen gehörte der Wintergarten mehr den Katzen als ihm.
Die Katzen wiederum schienen keinem zu gehören. Aber das war normal. Cooper hatte die Katzenhaare auf dem Boden des Wintergartens zusammengefegt und die schwarzen Stockflecken auf dem Korbstuhl abgewaschen, der unter dem Fenster stand. Er hätte den Stuhl am liebsten weggeworfen, aber er gehörte ihm nicht. Am liebsten hätte Cooper im Garten Holz für ein Lagerfeuer aufgeschichtet und den Stuhl obendrauf gelegt. Aber der Garten gehörte ihm auch nicht.
Die wenigen Sachen, die er aus der Bridge End Farm mitgebracht hatte, befanden sich größtenteils im Wohnzimmer – ein Druck von Win Hill von Richard Martin und eine hölzerne Katze, die er auf das Fensterbrett gestellt hatte. Und natürlich die Fotografie über dem Kamin: Mehrere Reihen feierlich blickender Polizeibeamter in Uniform mit Sergeant Joe Cooper in der zweiten Reihe. Dieses Erbe würde er sein Leben lang mit sich herumschleppen.
»Ich fürchte, ich habe den Garten seit dem Tod meines Mannes ein wenig vernachlässigt«, sagte Mrs Shelley an diesem Abend. Dabei spähte sie durch die Glasscheibe des Wintergartens, als hätte sie vollkommen vergessen, dass da draußen auch noch etwas war. »Mit dem Garten von Nummer sechs habe ich schon alle Hände voll zu tun, deswegen ist der hier etwas ungepflegt.«
»Ich könnte ihn für Sie wieder auf Vordermann bringen«, schlug Cooper vor. »Da draußen stehen ein paar schöne alte Bäume, nur der Rest ist ein wenig verwildert.«
Seine Vermieterin schien nicht mehr genau zu wissen, weshalb sie nach nebenan gekommen war, obwohl Cooper sie seit Wochen um ein Gespräch wegen des Gartens bat.
»Ja, ich kann den Teil des Gartens von meinem Haus aus sehen«, fuhr Mrs Shelley fort, »und es scheint mich nicht groß zu stören.«
»Es wäre jedenfalls schade, ihn weiter so herunterkommen zu lassen. Außerdem könnten die Nachbarn sich beschweren.«
»Mag sein.«
»Haben Sie einen Schlüssel für diese Tür?«
Cooper hätte die Tür leicht öffnen können. Das Holz war um das Schloss herum morsch, das zudem nur ein altes Zylinderschloss war. Irgendwann war ein kleines Holzgewinde in den Türpfosten geschraubt worden, um dem Schnapper dort Halt zu geben, wo das Holz komplett verfault war. Ein paar Sekunden Arbeit mit dem Schraubenzieher, und Cooper wäre im Garten gewesen. Er hätte sich umsehen und das Gewinde wieder einsetzen können, und Mrs Shelley hätte nie etwas davon erfahren müssen. Aber er befand sich in ihrem Haus und musste sich an die Regeln halten.
»In irgendeiner Schublade muss ein Schlüssel sein«, mutmaßte sie.
»Drüben in Ihrem Haus oder hier?«
Mrs Shelley sah sich suchend um. In einer Ecke des Wintergartens stand ein alter Tisch, darunter ein Brett mit abgestorbenen
Geranien in Plastiktöpfen. Die abblätternde Lackierung des Tisches enthüllte mehrere Farbschichten, mit denen der Tisch im Laufe seines Lebens gestrichen worden war. Zuletzt in einem Osterglockengelb.
»Versuchen Sie es mal mit der Schublade da drüben.«
Cooper stöberte darin herum. »Mir scheint, wir haben Glück«, sagte er und hielt einen eisernen Schlüssel in die Höhe.
Mit einem Knall kam Randy durch die Katzenklappe stolziert. In den vergangenen Wochen war es eine Quelle wachsenden Ärgernisses für Cooper gewesen, dass die beiden Katzen nach Belieben im Wintergarten hatten ein- und ausgehen können, wohingegen er das Nachsehen gehabt und die Natur nur durch staubige Glasscheiben hatte bewundern können. Er machte den nahenden Frühlingsbeginn für seine Verfassung verantwortlich. Jedes Mal, wenn er durch die Haustür auf die Straße trat oder das Fenster öffnete, um die Küchengerüche hinauszulassen, roch er den Frühling. Selbst hier mitten in Edendale konnte er den Geruch nach spießendem Gras und knospenden Blättern wahrnehmen. Cooper wünschte sich immer sehnsüchtiger Kontakt mit der Natur.
Der Frühling in der Welbeck Street war natürlich nicht mit dem auf der Bridge End Farm zu vergleichen, wo er aufgewachsen war und bis vor kurzem noch gewohnt hatte. Aber es hätte Cooper schon geholfen, wenigstens ein junges grünes Blatt zwischen den Fingern zu
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