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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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verstohlen wie ein Einbrecher. Aber das war alles.«
    Cooper nickte. Er wusste, dass es solche Leute gab. Leute, die panische Angst vor jedem menschlichen Kontakt hatten. Diese Menschen hatten Angst, eine Beziehung zu anderen
aufzubauen, vielleicht weil sie befürchteten, sie müssten ihr Leben in seiner ganzen Erbärmlichkeit den anderen offenbaren. Wenn sie eine Stimme draußen vor der Tür hörten, beteten sie, dass derjenige – wer immer es auch war – weitergehen möge.
    »Schauen wir uns mal die Taggs auf Nummer sechs an«, schlug er vor.
     
    Mr und Mrs Melvyn Tagg entpuppten sich als junges Paar Anfang, Mitte zwanzig, das einen gestressten Eindruck machte. Melvyn öffnete ihnen die Tür mit einer offenen Flasche Sagrotan in der Hand. Als Cooper Luft holte und zum Reden ansetzte, trieben ihm die Ausdünstungen des Desinfektionsmittels Tränen in die Augen.
    »Sie haben hoffentlich nichts dagegen, dass wir unsere Arbeit erledigen, während wir uns unterhalten«, sagte Melvyn. Dabei ließ er seine freie Hand durch einen Wasserfall aus langem, dunklem Haar gleiten, das vor Sagrotan glänzte.
    »Ist in Ordnung«, antwortete Cooper. »Wir halten Sie nicht lange auf.«
    Im vorderen Zimmer lag ein kleines Baby auf einem Handtuch, das über einen Tisch gebreitet war. Es war nackt und zappelte irritiert mit Armen und Beinen. Melvyn stellte die blonde Frau mit der Windel in der Hand als seine Frau Wendy vor. Misstrauisch und mit einem Anflug von Panik beäugte sie die Besucher.
    »Mel«, fragte sie, »was wollen die hier? Warum hast du sie hereingelassen?«
    »Ich konnte sie doch nicht vor der Tür stehen lassen, oder?«
    Auf dem Fußboden in der Ecke hockte inmitten einer Unmenge von Spielsachen ein Kind, das kaum merklich älter als sein Geschwister war. Legosteine, Bauklötze aus Holz, kleine Stofftiere und Malbücher waren kunterbunt verstreut. Cooper lächelte das Kind an, und das kleine Mädchen erwiderte seinen
Blick mit demselben Ausdruck wie seine Mutter. In dem Haus war er gut beraten, wenn er darauf achtete, wo er seinen Fuß hinsetzte. Sonst konnte es passieren, dass er ein besonders geliebtes Spielzeug zertrat und eine mittlere Katastrophe auslöste.
    »Tut uns Leid, Sie zu belästigen«, sagte Cooper. »Aber ich bin froh, dass wir das Glück haben, Sie beide zu Hause anzutreffen.«
    »Glück würde ich das nicht nennen«, erwiderte Wendy ironisch. »Wir hocken beide die ganze Woche über zu Hause. Mel wurde in der Fabrik entlassen und kriegt keinen anderen Job mehr. Und wie Sie sehen, habe ich mit den beiden hier alle Hände voll zu tun.«
    »Wir ziehen Erkundigungen über einen jungen Mann namens Neil Granger ein«, erklärte Cooper.
    »O ja. Wir haben davon gehört«, sagte Melvyn.
    »Tatsächlich?«
    »Sein Bruder Philip hat Lucas angerufen, nachdem ein paar von eurer Truppe bei ihm waren. Lucas ist ihr Onkel.«
    »Und auch Ihr Nachbar. Ich nehme an, Sie meinen Lucas Oxley?«
    »Natürlich.«
    »Nachrichten verbreiten sich hier ja schnell.«
    »Das ist hier so.«
    »Neil war in Ordnung«, sagte Wendy. »Es ist eine Schande. Wissen Sie, was passiert ist?«
    »Im Augenblick noch nicht.«
    »Philip sagte, dass es kein Unfall war. Neil war in eine Schlägerei verwickelt.«
    »Tja, in so was Ähnliches.«
    »In Tintwistle hat er sich mit ein paar harten Burschen herumgetrieben. Unter anderem auch so Motorradtypen.«
    »Wissen Sie irgendwelche Namen?«
    »Nein«, antwortete Wendy. »Wir haben in der letzten Zeit
nicht viel von Neil gesehen. Wir kommen nicht mehr so viel unter die Leute wie früher. Wir sind hier angebunden.«
    Cooper wandte sich an Melvyn Tagg. »Seit wann sind Sie arbeitslos, Sir?«
    »Seit ungefähr einem Monat. Ungelernte Arbeiter wie ich sind heutzutage nicht sehr gefragt«, erklärte Melvyn entschuldigend. »Ich habe keine großartige Ausbildung. Wendy hat immerhin Abitur. Sie müsste eigentlich aufs College gehen und dort Sekretärin lernen oder so.«
    »Wie soll ich arbeiten oder aufs College gehen, wenn ich die beiden hier am Hals habe?«, keifte Wendy.
    »Wenn sie vielleicht ein bisschen älter sind …«, schlug Cooper vor.
    »Wir werden uns nie einen Kindergarten leisten können. Die verlangen mehr, als ich je mit einem Job verdiene, den ich bekommen kann. Außerdem ist der nächste Kindergarten in Glossop. Und das nützt uns auch nicht viel.«
    »Und was ist mit Ihrer Familie? Oder Ihren Nachbarn?«
    »Die sind doch nie da.«
    Cooper fiel auf, dass Melvyn als Aufpasser für die

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